Klage gegen Überstunden-Fetischisten?

■ IG-Metall denkt über Verbandsklage gegen Arbeitszeitmodell von Pumpenhersteller KSB nach / Pikant: Bremer DGB-Chefin Ziegert hatte das Modell gelobt / Betriebsrat: „Wir bessern nach.“

Der Inhalt der Broschüre „Neue Arbeitszeitmodelle“ (siehe Seite 22) treibt zurzeit Bremens IG Metall auf die Barrikaden. Den Gewerkschaftern schmeckt gar nicht, was sie dort über das neue Arbeitszeitmodell des internationalen Pumpenherstellers KSB Service GmbH erfahren: Der Betriebsrat in der Bremer Niederlassung der internationalen Firma hat mit dem Arbeitgeber ein Langzeitkonto für aufgelaufene Überstunden ohne jede Zeitbegrenzung ausgehandelt. „Das widerspricht dem Tarifvertrag“, schimpfen die Metall-Gewerkschafter und wollen den Abschluss rückgängig machen – notfalls auf dem Klageweg.

Doch noch eine Scharte wollen die Metaller auswetzen. Sie wollen vor allem verhindern, dass das Vorwort zur Broschüre ernst genommen wird. Grund: Darin hat ausgerechnet Bremens DGB-Chefin und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Helga Ziegert getextet: „Wir hoffen, dass diese Beispiele Schule machen.“ Ein Beispiel, gegen das die IG-Metall jetzt voraussichtlich Verbandsklage einreichen will.

Eine solche Klage auf Unterlassung könnte nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom April aussichtsreich sein. Die Bundesrichter hatten der IG Medien im Streit mit dem Burda-Verlag Recht gegeben, nachdem Arbeitgeber und Betriebsrat mit einer betrieblichen Arbeitszeitvereinbarung den Tarifvertrag unterlaufen hatten. Darin sollten statt der vereinbarten tariflichen 35 Wochenstunden 39 gearbeitet werden, auch tarifliche Zuschläge wurden vermindert. Im Gegenzug garantierte die Firma Beschäftigung für vier Jahre. Geht nicht, räumten die Richter dem Schutz des Tarifvertrags Vorrechte in dem Urteil ein, auf das Bremer IG-MetallerInnen jetzt verweisen.

Bei KSB nämlich liegt der Sachverhält ähnlich. Entgegen den tariflichen Bestimmungen läuft das Arbeitszeitkonto zeitlich unbegrenzt – soll also binnen Jahresfrist nicht auf Null gebracht werden. Auch die Zahl von 580 Plusstunden weicht deutlich von der Metaller-Empfehlung von 105 ab. Hierbei allerdings hätte die Gewerkschaft keine Handhabe; dies ist in den Tarifbestimmungen nicht festgelegt – und in vielen Fällen wird in allseitigem Einverständnis auch davon abgewichen.

Der Bremer Betriebsratsvorsitzende der KSB, Günther Nase, wiegelt den Konflikt auf Anfrage ab. Ja, er habe das Fax von der IG-Metall wohl erhalten, in dem er aufgefordert wird, das Arbeitszeitmodell nachzubessern – das im übrigen nur für die Bremer Niederlassung so gilt. Hier hat man die Belegschaft innerhalb weniger Jahre von 220 auf heute 75 gedrittelt – wobei die Beschäftigten allerdings insgesamt über 4.000 Überstunden vor sich herschieben, wie auch der Betriebsrat beklagt. Öffentlich Stellung will er jedoch zu dem Debakel nicht nehmen. „Die Klärung ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Nase. „Wir werden uns einigen.“

Der Chef des Bremer Unternehmens, ein Herr Schaaf, fiel dagegen aus allen Wolken, als er durch die taz von der IG-Metall-Intervention erfuhr. „Einigen? Worüber?“ Er wisse von nichts. Für ihn gelte die Betriebsvereinbarung so, wie sie zuletzt im Dezember 1998 festgeklopft wurde. „Ich gehe davon aus, dass das alles konform ist.“ Bei einer zweiten Nachfrage muss Schaaf jedoch einräumen, dass es jetzt heißt: „Kommando zurück!“ Laut Schaaf läuft die Betriebsvereinbarung nur noch bis Ende des Jahres. Dann wird neu verhandelt – oder von der IG-Metall geklagt.

Beim Pumpen-Wettbewerber Pleuger-Worthington in Hamburg reagieren Betriebsräte unterdessen alarmiert auf die noch bestehende Bremer Vereinbarung. Sie hoffen, dass spätestens die IG-Metall dem Abkommen endgültig einen Riegel vorschiebt. Auch sie nämlich sehen sich unter dem Druck, Überstunden auf einem zeitlich unbegrenzten Arbeitszeitkonto zu parken; auch bei der deutschen Tochter des US-Konzerns wurde die Belegschaft in den letzten sechs Jahren halbiert, Teile der Produktion wurden ins Ausland verlegt. Doch noch gilt dort die IG-Metall-Empfehlung von jährlich maximal 105 Plus-Stunden auf dem Arbeitszeitkonto. Seit allerdings der Arbeitgeber kürzlich aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist, herrscht Unruhe im Betrieb. „Wir wissen jetzt nicht mal, ob wir im März überhaupt noch einen Lohntarif verhandeln können“, heißt es. ede/Jeti