Liebesgrüße aus Kreuzberg

■  „B.Z.“ hat das Liebesleben der Berliner untersucht und herausgefunden: In der „Anarcho-Zentrale Kreuzberg“ kommt es regelmäßig zu Spontansex. Im Regierungsbezirk ist die Liebe mit das Wichtigste im Leben, im Wedding spielt sie keine Rolle

Unglaublich, aber wahr: In Kreuzberg, der heimlichen Hauptstadt der Anarchisten, ist die Planwirtschaft wieder im Kommen. Glaubt man der neuesten Umfrage der Königin unter den hiesigen Boulevardblättern, dann planen 15 Prozent aller Kreuzberger ihren Sex. In der B.Z.-Umfrage „Erforscht: Das Liebesleben der Berliner“ erfährt man alles, was man eigentlich noch nie so genau wissen wollte.

Was ist los mit Kreuzberg? Hier geht kaum noch jemand arbeiten, weil sich alle mehrmals täglich lieben. Kreuzberg, das ist die Beate Uhse unter den Bezirken. Auch die Gewalt auf der „revolutionären 1.-Mai-Demo“ scheint nur ein stummer Schrei nach Liebe zu sein: Den Rest der Zeit widmen sich die Kreuzberger der sexuellen Revolution. Unter der Führung des Sexpapstes Peter Strieder (SPD) haben sie bereits Anfang der neunziger Jahre den Griff zum Kamasutra von der Pieke auf gelernt. Auch die Lektüre hat sich verändert: Schluss mit dem „Kapital“ von Karl Marx oder Che Guevaras „Bolivianischem Tagebuch“! Kein U-Bahnwaggon, in dem „die Kreuzberg-Frau“ nicht „Sex-Bücher“ verschlingen würde. Und, typisch für den Spontibezirk: 95 Prozent aller Befragten haben sogar „Spontan-Sex“.

Im Prenzlauer Berg ist es kaum anders. Das erklärt, „warum in Prenzlauer Berg die Mieten steigen und Neuberliner am liebsten rund um den Kollwitzplatz wohnen“. In Mitte ist der Sex sogar das Wichtigste im Leben, obwohl es bekanntermaßen nicht immer der Bundeskanzler mit der besten Figur ist, der sich hier auszieht. Wedding hingegen: sexuelle Sahelzone! 27 Prozent aller Bewohner zwischen Müllerstraße und Humboldthain ist Sex „eigentlich ziemlich egal“, was dem Bezirk bereits den Ruf eines sinnlichen Entwicklungsgebietes eingebracht hat, angesichts der vielen gebrochenen Herzen auch wieder ganz vernünftig. In Charlottenburg kommt es etwa so häufig zu einer Kopulation wie zu einer Sonnenfinsternis.

Außerdem: Wer einen Jurastudenten als Partner hat, der braucht keine Beziehungskrise mehr. Zum Beispiel Henning P. (27): Sex immer nur mittwochs und sonntags, wegen des zweiten Staatsexamens.

Für den vereinsamten Leser jedenfalls hält die B.Z. noch eine besondere Serviceleistung bereit: „Glauben Sie, es könnte einmal schön sein, sich von einer professionellen Liebesdame oder von einem professionellen Liebesanbieter verwöhnen zu lassen?“ Neben den groß gedruckten Lettern räkelt sich „Michelle, Prostituierte aus Schöneberg“. Weitere sachdienliche Hinweise entnehmen Sie bitte dem Anzeigenteil der B.Z.

Boris Zabel