Primakow fürs Vaterland

■ Russlands Ex-Premier kandidiert für das Wahlbündnis von Moskaus Bürgermeister

Gestern wurde in Moskau bekannt, dass Russlands vorletzter Premier Jewgeni Primakow den Vorsitz des Koordinationssowjets des Wahlblockes „Vaterland/Ganz Russland“ übernommen hat. Primakow versprach, all seine Kraft für den Sieg des Blockes bei den Wahlen zur Staatsduma im Dezember aufzubieten.

Die Koalition zwischen der von Moskaus Oberbürgermeister Juri Luschkow geleiteten Wahlvereinigung „Vaterland“ und der Gruppe „Ganz Russland“ war Anfang August gebildet worden. Als informeller Führer von „Ganz Russland“ gilt der Präsident Tatarstans, Mentemir Schajmijew, neben vielen Gouverneuren gehören der Gruppierung auch Sankt Petersburgs Gouverneuer Vladimir Jakowlew und der Präsident Inguschetiens Ruslan Auschew an.

Die Bewegung „Vaterland“ vereint nun mit Luschkow und Primakow die beiden prominentesten Politiker Russlands. Dass Primakow dazugestoßen ist, ändert die Perspektiven dieser Bewegung von Grund auf und wird ihr die Unterstützung von mindestens 28 Prozent der Wähler sichern. In besonders harter Konkurrenz steht „Vaterland“ zur Kommunistischen Partei. „Jeder Block, dem Primakow beitritt, bekommt bei den Wahlen zweimal mehr Stimmen als ohne ihn“, bekannte kürzlich der stellvertretende KPR-Vorsitzende Valentin Kupzow.

Um Primakows willen wären Umfragen zufolge viele kommunistische Wähler bereit, zu „Vaterland“ abzuwandern. Fänden die Wahlen heute statt, bekäme die KPR deshalb nur noch 27 Prozent der Stimmen, vorgestern waren es noch 34 Prozent. Dagegen könnte der Block „Vaterland/Ganz Russland“ mit seinem neuen Vorsitzenden heute 28 Prozent der Stimmen – im Gegegensatz von nur 16 Prozent vorgestern – einheimsen.

Sehr wahrscheinlich wird die Popularität des Blockes aber weiter wachsen, weil Primakow in Russland eine politische Kultfigur ist. Niemand zweifelt, dass der ehemalige Geheimdienstchef es bei einem Duma-Wahlsieg nicht belassen wird, sondern nach dem Präsidentenamt strebt. Er entlastete damit Juri Luschkow, der das Schlüsselamt des Moskauer Bürgermeisters behalten möchte. Gleichzeitig würde Primakow aber zum unbesiegbaren Gegner für einen designierten Nachfolger Jelzins. Barbara Kerneck