Neues Konzept für Zwangsarbeiter-Entschädigung

■ US-amerikanische Anwälte von NS-Zwangsarbeitern schlagen eine Globallösung vor: Die geplante Industriestiftung soll mit der Bundesstiftung fusioniert werden

Berlin (taz) – Die amerikanische Anwaltskanzlei Cohen, Milstein, Hausfeld & Toll hat gestern einen neuen Vorschlag lanciert, wie die Verhandlungen über die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter im „Dritten Reich“ zu einem raschen Ende gebracht werden können. Dieser Vorschlag knüpft an das Projekt an, das Ende Juni unter der Federführung der Anwältin Deborah Sturmann vorgestellt worden war. Die damalige Grundidee, die Stiftung in ein Vergleichsverfahren einzubringen, wird jetzt wiederholt. „Hinreichende Rechtssicherheit“ für die deutschen Firmen bei eventuellen späteren Klagen soll dadurch gewährleistet werden, dass die amerikanische Regierung bei solchen Verfahren als „amicus curiae“ auftreten sowie die Zahlungen aus der Stiftung als fair und als bestes erreichbares Ergebnis kennzeichnen wird.

Der Vorschlag der amerikanischen Anwaltskanzlei enthält aber auch drei wichtige neue Elemente. Erstens wird vorgeschlagen, Forderungen an deutsche Banken und Versicherungen aus dem Entschädigungskomplex herauszunehmen. Sie waren von der Stiftungsinitiative der deutschen Industrie zu Anfang Juni in Berlin im zweiten Teil des Stiftungsprojekts gesondert aufgeführt worden. Die amerikanischen Anwälte machen geltend, dass innerhalb des kurz bemessenen Zeitrahmens hier weder über inhaltliche noch prozedurale Fragen Einigkeit erzielt werden könne. Solche Forderungen beträfen Ansprüche aus der „Arisierung“ jüdischer Vermögen in der Nazi-Zeit oder Ansprüche aus beschlagnahmten Konten, Policen etc., die bisher von den Geschädigten oder ihren Nachkommen nicht geltend gemacht werden konnten.

Zweitens sieht der Plan der amerikanischen Anwälte vor, die Industriestiftung mit der künftigen Bundesstiftung zu fusionieren. Diese Bundesstiftung ist von der Regierung prinzipiell zugesagt worden und soll die Zwangsarbeiter, die in der Landwirtschaft und im öffentlichen Sektor beschäftigt waren, gesondert entschädigen. Bislang hatte die Bundesregierung die Errichtung der zweiten Stiftung von der Einigung zwischen der Industriestiftung und den Opferverbänden bzw. ihren Regierungen abhängig gemacht. Die Fusion soll nun der Beschleunigung beider Projekte dienen. Entsprechend sieht der amerikanische Anwaltsplan drittens statt der bisherigen zwei jetzt fünf Opfergruppen vor, hält aber am Unterschied zwischen KZ-Sklavenarbeit und „übriger“ Sklavenarbeit fest.

Wie eine erste Stellungnahme von Seiten der Industriestiftung nahe legt, wird die Idee, Forderungen an die Banken aus dem Entschädigungsverfahren auszuklammern, abgelehnt werden. Auch der Vorschlag, die Bundesstiftung mit der Industriestiftung zu fusionieren, scheint bei der rot-grünen Bundesregierung auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Auch den Termin 1. September, den 60. Jahrestag des Überfalls auf Polen, hat der neue deutsche Verhandlungsführer, Graf Lambsdorff, erneut für nicht einhaltbar erklärt.

Christian Semler