■ Das Diepgen des Tages
: Marcel Reif und die Zweitverwertung von Stilblüten

Seitdem im Fußballfernsehen ein gestammeltes „Ja gut“ als Analyse gilt, ist die echte Analyse eine aussterbende Spezies. Die Liste ihrer Totengräber ist lang. Beckenbauer gehört dazu, Jauch, Dahlmann und, frisch von RTL zu Premiere gewechselt, Marcel Reif. Dessen Analysen münden stets in seine Lieblingsfloskel: „Wie dem auch sei.“

In Berlin gibt es das jetzt auch schriftlich: in der B.Z., dem Auffangbecken für etwas heruntergekommene Herren. „Deutschlands TV-Reporter Nr. 1, ab sofort regelmäßig in Ihrer B.Z.“, pries das Blatt seinen Neuzugang im Kirmesbudenjargon an.

„Bundesliga-Analyse“, so heißt Marcel Reifs Kolumne. Und das geht so: „Wie dem auch sei: Der erste Spieltag hat gezeigt, dass die vermeintlichen Außenseiter den Millionen-Teams das Leben ganz schön schwer machen können.“

Mit diepgentauglichen Weisheiten dieser Art hat sich Reif aber auch Freunde gemacht: Eine Brauerei hält sein Gesicht tatsächlich für umsatzsteigernd, das Quarkspeise-Model Hans-Hubert Vogts attestierte Marcel Reif „Weltklasse“, und der Frankfurter Radio-DJ Klaus Walter lobt: „Bei Reif bin ich einigermaßen in Sicherheit vor gröbsten Ausfällen.“

Klaus Walter muss es wissen, denn von Ausfällen versteht er etwas. Über Außenminister Joseph Fischer und sich wusste Walter 1998 in der taz zu berichten: „Fischer ist der erste Vizekanzler, mit dem ich unmittelbaren Körperkontakt hatte und mittelbar Körpersäfte ausgetauscht habe. Tritte beim Fußball, Sex mit denselben Frauen.“

Ob Walters Nähe zu Marcel Reif ähnlich eng ist? Mittelbar? Oder unmittelbar? Wohl kaum, denn sonst hätte Reifs Bewunderer die Öffentlichkeit sicherlich darüber informiert.

Wie dem auch sei: Marcel Reif ist bei der B.Z. gelandet. Dort kann er die Stilblüten der Zweitverwertung zuführen, mit denen er, wenn auch unfreiwillig, schon das Fernsehpublikum erheiterte: „Die Portugiesen, wenn sie kommen, kommen sie ziemlich beunruhigend.“

Oder: „Er müsste die Mannschaft führen wie Matthäus von hinten.“ Oder: „Dann müsste gerechnet werden, dass sich die Balken biegen.“ Und natürlich: „Wie dem auch sei.“

Molly Bluhm