Städtische Qualität mit Vorstadtruhe unvereinbar

■ Oft sind es die Bewohner selbst, die keine gemischte Nutzung im Städtebau wollen

Mit einer neuen Mischung im Städtebau soll auch die soziale und räumliche Segregation verhindert werden

Ohne eine „nachhaltige Stadtentwicklung“, daran hatte Klaus Töpfer nie einen Zweifel gelassen, habe die Stadt keine Zukunft. Dass das nicht nur für die Mega-Citys der Dritten Welt gilt, sondern auch für die Bundesrepublik, zeigte im vergangenen Jahr eine Studie des Eduard-Pestel-Instituts in Hannover. Während zu Beginn der 90er-Jahre noch 70 Hektar Fläche pro Tag zugebaut wurden, sind es am Ende des Jahrzehnts bereits 120. Die zweite Welle der Suburbanisierung ist in vollem Gange. Das Programm „Nutzungsmischung im Städtebau“ ist der Versuch einer Antwort gewesen.

Nicht nur um die ökologischen Folgen der Suburbanisierung geht es dem Leiter des Programms, Claus Wiegandt, sondern auch um die sozialen Aspekte. Immerhin gehe mit der Suburbanisierung auch eine soziale und räumliche Segregation in den Städten einher, die es zu verhindern gelte.

Aus diesem Grund hat das Bundesamt für Bauwesen und Raumforschung, in dem Wiegandt arbeitet, im Februar 1995 ein neues Forschungsfeld eröffnet. Von über 70 Anträgen zum Vorhaben „Nutzungsmischung im Städtebau“ wurden 13 Projekte bis 1996 aufgenommen. Als Schwerpunkt war vorgesehen, den Vergleich der Projekte, die sich allesamt die Nutzungsmischung auf die Fahne geschrieben hatten, wissenschaftlich zu begleiten, um hinterher Ergebnisse über die „Chancen und Hemmnisse“ in der Umsetzung der städtebaulichen Ziele zu bekommen.

Das Ergebnis ist allerdings ernüchternd. Oftmals wurden die Ziele nicht oder nicht einmal annähernd erreicht. Die Gründe dafür sind laut Wiegandt vielfältig. So würden oftmals Bodenpreise oder der Immobilienmarkt ein Nebeneinander von Wohn- und gewerblicher Nutzung erschweren. Aber auch die Verwaltungen, so Wiegandt, täten sich manchmal schwer mit der Umsetzung solcher Vorhaben. Noch immer sei es leichter, ein Gewerbegebiet neben einem Wohngebiet zu planen, als beide Nutzungen miteinander zu zu verbinden.

Dabei sind es, das zeigen die Projektanträge, noch nicht einmal die Investoren, die einer Rückbesinnung auf gemischte Strukturen im Wege stehen. Es sind oft die Nutzer selbst, die mit ihrem Kaufverhalten funktional getrennte Gebiete bevorzugen. Als Grund nennt Wiegandt vor allem das Bedürfnis, „störungsfrei“ zu wohnen. „Die Erwartung von Störungen und Unverträglichkeiten zwischen Nutzern“, zieht Claus Wiegandt Fazit, „ist das eigentliche Hemmnis der Umsetzung von Nutzungsmischung.“ Sie werde deshalb in den meisten Nutzungskonzeptionen zur Reaktivierung von Brachflächen und zur Neubebauung am Stadtrand von vornherein ausgeschlossen.

Bei einem einzigen der 13 Projekte, in der Tübinger Südstadt, hat es den Versuch gegeben, die Bewohner davon zu überzeugen, dass städtische Qualitäten und vorstädtische Ruhe nicht miteinander zu verbinden sind. Auf dem 60 Hektar großen ehemaligen Militärgelände wurde die städtebauliche Mischung deshalb nicht „grobkörnig“, also zwischen verschiedenen Blöcken getrennt, in Angriff genommen, sondern „feinkörnig“ auf jeder einzelnen Parzelle.

Ein weiteres Ergebnis der Forschung ist die Erkenntnis, dass es keiner größeren Gesetzesänderungen bedarf, um Nutzungsmischung umzusetzen. Dazu brauchte es eigentlich nur Bewohner, die diese auch nachfragen. Die Studie des Eduard-Pestel-Instituts gibt da allerdings wenig Anlass zu Optimismus. Wenn der Preis für ein Eigenheim erst einmal auf 350.000 Mark sinken würde, so würden doppelt so viele Deutsche wie bisher bauen. Uwe Rada