Euphemistische Faxe

■  Vorsicht, Gutachten! Nach Inter Nationes geht es jetzt der Export-Union, der Außenvertretung des deutschen Films, an den Kragen

Die Nichtteilnahme deutscher Filme bei internationalen Wettbewerben wird als Erfolg verkauft

Mehr Geld muss es zwar sein, aber wer soll es ausgeben? Die Export-Union jedenfalls nicht: Erneut wird einer Institution des deutschen Kulturexports bescheinigt, dass sie besser „in ihrer bestehenden Form nicht weiterzuführen“ sei. Nach dem Rechnungshofbericht zu Inter Nationes liegt nun das Gutachten zur „Außenvertretung des deutschen Films“ auf dem Tisch. Veranlasst wurde es von Michael Naumann, dem Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, und sollte mögliche Defizite in der Arbeit der „Export-Union des Deutschen Films“ untersuchen. Anstoß zu dem Gutachten gab die Forderung des Deutschen Bundestages, anläßlich der Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) zu prüfen, wie der Export des deutschen Films und seine Repräsentanz im Ausland zu verbessern seien.

Wenngleich die Export-Union auch unter auswärtige Kulturpolitik fallen könnte: Sie gehört nicht zum Fischer-Ministerium. Und mit Finanzminister Eichels Sparplänen bezüglich der auswärtigen Kulturpolitik hat das Gutachten auch nichts zu tun. Im Gegenteil: Eine sinnvolle Außenvertretung mit entsprechender Werbung in ausländischen Medien, heißt es vielmehr im Gutachten, sei nur mit einem Etat von wenigstens 10 Millionen Mark – statt der bisherigen drei Millionen – möglich. Trotzdem schlussfolgert die mit dem Gutachten beauftragte Kölner Medienberatungs-Firma HMR (Hachmeister, Müller, Richter): „Die Export-Union in ihrer bisherigen Form lediglich finanziell besser auszustatten würde die Tatsache verkennen, daß schon jetzt das Geld nicht effizient genutzt wird.“

Der Verein mit dem altmodischen Namen, der seit 1997 als GmbH firmiert, entstand 1954 aus dem Zusammenschluss der Verbände der Filmproduzenten und -exporteure. Die Export-Union soll deutsche Filme in den Wettbewerben der internationalen Festivals unterbringen, sie organisiert Vorführungen auf den Filmmärkten, weiter stellt sie gedrucktes Informationsmaterial zur Verfügung und soll überhaupt als zentrale Anlauf- und Vermittlungsstelle für das interessierte Ausland und die einheimischen Filmleute dienen. Liegt es daran, dass die EU für den Verkauf von Filmen oder den Abschluss von Verträgen nicht zuständig ist? Finanziell engagiert sich jedenfalls die Industrie kaum: Gerade mal 170.000 Mark steuert sie zum Budget bei, der Bund gibt immerhin 1,7 Milionen Mark.

Auffällige Fehler bei der Ausrichtung repräsentativer Empfänge auf Märkten, Messen und Festivals im In- und Ausland machen nun laut Studie eine effizientere Gestaltung der teuren Festivalarbeit notwendig; dabei sollte vor Ort eine international bekannte Persönlichkeit aus Kultur oder Politik agieren; am besten verträte sie, in einer ähnlichen Rolle wie sie Jack Lang in Frankreich inne hat, generell die Interessen des deutschen Films im In- und Ausland. Einen Vorschlag, wer die Rolle dieser international bekannten Persönlichkeit ausfüllen soll, macht das Gutachten nicht.

Gefordert wird außerdem eine bessere Zentralisierung und Koordination der Auslandspräsentation zwischen Export-Union, Goethe-Institut, Inter Nationes und den Länderförderern. Hier wird freilich deutlich, dass die Schuld nicht bei der Export-Union alleine liegt.

Wie im Bereich Kultur und Filmförderung in Deutschland üblich, kleckert jeder mit seinem Geld. So konkurrieren die Filmbüros der Bundesländer inzwischen schon mit je eigenen Ständen auf den Festivals gegeneinander. Die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen hält Filmwochen in Shanghai ab, während Bayern das Gleiche in Hongkong und Krakau tut. Warum sollten sie bei einer solchen Haltung an einer Zusammenarbeit mit der zentralen Export-Union interessiert sein?

Natürlich stieß das Naumann-Gutachten bei der Export-Union, die in München ansässig ist und acht ausländische Büros unterhält, auf Ablehnung. Trotz des geringen Budgets leisteten sich die Münchner ein Gegengutachten der Schweizer Firma GoBetween Communications. Begründung dieses ungewöhnlichen Vorgehens: Damit sollen die „entstandenen Irritationen innerhalb der Branche“ ausgeräumt werden. Die kann freilich ein gewissermaßen „gekauftes“ Gutachten wohl kaum ausräumen. Auch wenn die Schweizer Firma mehr Interviews auswertete als HMR, mit deren Arbeit im methodischen Bereich auch der Beauftragte der Bundesregierung nicht völlig zufrieden ist: Das Geld für das Zweitgutachten scheint erneut schlecht angelegt.

Als Journalist, der hin und wieder mit der Export-Union in Berührung kommt, möchte man den HMR-Bericht in vielen Punkten spontan bestätigen. Die knappen Presseerklärungen vor Beginn der großen Festivals von Berlin, Cannes oder Venedig, in denen die Nichtteilnahme deutscher Filme am Wettbewerb stets als Erfolg verkauft wird – weil ja eine Koproduktion im Wettbewerb ist oder ein, zwei deutsche Filme in Nebenreihen laufen –,wirken nicht gerade vertrauensfördernd.

Gewiss ist die Export-Union nicht für die Schwäche des deutschen Films verantwortlich zu machen, doch angesichts der euphemistischen Pressefaxe melden sich Zweifel an ihrer Kompetenz.

Diese Zweifel verstärken sich massiv, wenn man einmal den deutschen Empfang in Cannes mitgemacht hat: Der schlägt einem wirklich auf den Magen. Letztes Jahr trat die Export-Union dort klischeegerecht mit dem Tirolerhut im Genick auf. Der Verdacht, dass man einer Organisation nicht trauen kann, die an der Croisette mit „Rosamunde“ zu Würstel und Sauerkraut aufspielen lässt, erhärtete sich auch in diesem Jahr, wo es dieses Mal zwar Hänsche Weiss, aber wieder Würstel und Sauerkraut gab – und wieder keinen deutschen Film im Wettbewerb. Und jetzt reicht es in Venedig erneut nur zu einer einzigen Koproduktion.

Warum der Export-Union mehr Geld geben, wenn sie ihr Budget schon jetzt nicht effizient nutzt?

Man muss auch dem Vergleich der Pressearbeit zustimmen, den HMR zwischen der Export-Union und ihrem französischen Pendant Unifrance zieht. Auch hier hat man als Journalist die Quellen vor sich liegen, der Vergleich geht eindeutig zugunsten von Unifrance aus.

Nicht zustimmen möchte man allerdings der Aussage von HMR, dass die Maßnahmen zur Umstrukturierung der Außenvertretung des deutschen Films weder „das föderale Fördersystem noch das Engagement der Länder“ ausschließen. Länderförderung ist im Bereich der Literatur und der bildenden Kunst sicher sinnvoll, im Bereich des Theaters mag sie noch angehen. Aber schon im Bereich der Oper – mit ihren hohen Kosten und ihren ebenso hohen Qualitätsansprüchen, nicht an einen einzelnen Künstler, sondern an einen ganzen Apparat und nicht zu vergessen an ein entsprechendes Publikum – wird sie problematisch. Im Bereich des Films, der schon von Anfang an, jedenfalls als Produkt, ein Global Player war, ist sie einfach nur noch Unsinn, eine Vergeudung von finanziellen und künstlerischen Ressourcen. Der Film muss aus der Länderhoheit herausgelöst werden, anders ist ein „Bündnis für den Film“, also eine neue deutsche Filmpolitik und ein neuer deutscher Film, der internationales Interesse erregt, nicht denkbar. Frankreich und England sind mit dieser Politik erfolgreich. Warum nicht gute Ideen übernehmen, wenn man selbst keine hat?

Brigitte Werneburg