■ Nicht immer ist Unbarmherzigkeit nützlich
: Todesstrafe und Politik

„ ,Bitte, bitte, bring mich nicht um.‘ Bush wimmert, die Lippen in gestellter Verzweiflung zu einer Schnute verzogen.“ Diese Worte von George Bush Jr. gibt die Journalistin Tucker Carlson in Amerikas neuester Illustrierten Talk wieder – in einem Porträt des Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. Darin spricht sie mit ihm über seine umstrittene Entscheidung, im Februar 1998 die zum Christentum bekehrte Mörderin Karla Fay Tucker hinrichten zu lassen, obwohl selbst Pat Robertson, der Wortführer der Christlichen Rechten, um ihre Begnadigung gebeten hatte. Bush mokiert sich rückblickend über das Gnadengesuch. Die Hinrichtung hatte seiner Popularität damals weder in Texas noch außerhalb geschadet, wohl aber dieses Interview.

Die Todesstrafe ist in Amerika ein Wahlkampfthema, Kandidaten können sich kompromittieren, wenn sie nicht uneingeschränkt dafür eintreten. 1988 wurde dem damaligen Gouverneur von Massachusetts, Michael Dukakis, dem Gegenkandidaten von Bushs Vater, eine kritische Äußerung zur Todesstrafe zum politischen Verhängnis.

In Amerika ist das Wahlkampffieber ausgebrochen. Doch manchmal schlägt die Politik auch widersprüchliche Kapriolen. Die Entscheidung eines texanischen Berufungsgerichts, den Fall des zum Tode verurteilten Mörders Larry Robinson an eine untere Instanz zurückzuverweisen, damit sein Geisteszustand untersucht und bei der Strafzumessung berücksichtigt wird, hat mit Wahlkampf und Politik nichts zu tun, sondern allein mit Rechtsstaatlichkeit.

Die Konstellation der Ereignisse und Umstände hat im übrigen einen Druck geschaffen, unter dem sich die Befürworter der Todesstrafe auf einmal in der Defensive sehen. Bush kandidiert mit dem eingängigen Slogan „Compassionate Conservatism“. Er will zeigen, dass sein Konservatismus auch mitfühlend sein kann. Und Todesurteile wären eine Gelegenheit, mitfühlend zu sein und Gnade wenigstens zu befürworten.

Bush, der aus einer Probewahl im ländlichen Iowa am Samstag als strahlender Sieger hervorgegangen ist, steht auf dem vorläufigen Zenit seiner Popularität. Da oben kann man leicht straucheln, und es sieht ganz danach aus, als habe der Kandidat mit dem Interview, das den meisten erst nach der Gerichtsentscheidung vom Dienstag überhaupt bekannt wurde, seinen ersten Fehler gemacht. Erstmals könnte das Eintreten für die Todesstrafe für einen US-Präsidentschaftskandidaten nachteilig sein. Peter Tautfest