■ Mit Plutoniumsonden auf du und du
: Gefahr vorbei?

Berlin (taz) – „Cassini vollendet erfolgreich ihren Vorbeiflug an der Erde“, lobte sich gestern die US-Weltraumbehörde Nasa in einer Pressemeldung. Im Abstand von 1.171 Kilometern zog die umstrittene Saturnsonde über den östlichen Südpazifik an der Erde vorbei und konnte durch geschicktes Ausnutzen der Anziehungskraft ihre Geschwindigkeit um 20.000 Stundenkilometer erhöhen. Das war gestern morgen um kurz vor halb sechs.

Dieses Manöver war bis zuletzt umstritten, weil die Cassini-Sonde für ihre Stromversorgung eine Batterie aus Plutoniumoxid mit sich führt. Insgesamt 29 Kilo des hochgiftigen Plutoniums hat die Sonde an Bord, und eine Nasa-eigene Studie hatte 1994 mit bis zu 2.300 Krebstoten für den Fall gerechnet, dass die Sonde durch eine Panne in der Erdatmosphäre verglüht. Nach drei Jahren Protest gegen das Projekt hatte die Nasa ihre Studie überarbeitet – und die Zahl der Krebstoten auf 120 herunterkorrigiert. Umweltschützer kritisieren diese Zahlen und schätzen die Todesrate um bis zu mehrere tausend Mal höher ein. Auch bezweifeln sie die Methodik der Nasa-Schätzung, nach der das Unfallrisiko bei eins zu 1,3 Millionen gelegen haben soll. „Das ist keine Wissenschaft“, schimpft der New Yorker Physiker Michio Kaku. „Das ist Voodoo.“ Und verweist auf das Unglück der „Challenger“, nach dem man das Unfallrisiko für Space Shuttles drastisch nach oben korrigieren mußte.

Nun wäre es trotzdem sicher übertrieben zu sagen, wir hätten noch mal Glück gehabt, dass die Sonde nicht abstürzte. Der erfolgreiche Vorbeiflug war natürlich trotz allem die wahrscheinlichere Variante. Und doch bleibt die Frage, ob die Nasa das Recht hat, die Welt einem solchen Risiko auszusetzen. Denn es gibt die Möglichkeit, Plutoniumbatterien durch spezielle Solarzellen zu ersetzen, die bereits im Auftrag der ESA entwickelt werden. Und der Streit bleibt aktuell: Cassini ist nicht die letzte Sonde dieser Art – die Nasa plant wenigstens acht weitere zivile Missionen mit Plutonium.

Cassini soll den Saturn im Juli 2004 erreichen. urb