Querspalte

■ Galeere Kaufhof Alex. Oder: Ohne Blue Sunday kein Saturday Night Fever

Die Rolltreppe schiebt mich mitten in die Linse. Ich versuche grimmig zu gucken. Aber womöglich hat der Kameramann mich schon mit einem selig-dumpfen Wiedervereinigungsgesicht erwischt und lässt den Krempel noch am Abend wegsenden. Kommentar: „Begeisterte Sonntagseinkäufer im Kaufhof am Berliner Alexanderplatz“.

Zum Glück kennt mich hier keiner. Das Heldenkaufhaus und die Bewegung, zu der ich hier offensichtlich gerade gehöre, sie erinnern an die peinlicheren Momente von vor zehn Jahren. Was wollen wir hier? Die Preise sind heute um keinen Deut besser, schon gar nicht im zur „Galeria“ aufgetakelten „Kaufhof“.

Von wegen „Galeria“ – eine Galeere ist das! Wenn hier was verschenkt wird, dann der Sonntag, dieser bleiche, alte Sack, der nur bis halb zehn noch einen halbwegs frischen Atem hat und spätestens zum Kaffee schon so hoffnungslos nach Montag stinkt, dass man ihn am liebsten ausknipsen möchte. Was ist der Sonntag denn eigentlich, außer ein Tag, an dem man sich vormittags matt anguckt?

Andererseits: Die Frage „Was wollen wir heute noch machen?“ ist selbstverständlich eine ganz reale. Aber nachmittags achselzuckend einen japanischen Monsterfilm auf Kabel 1 gucken, kurz vor der Tagesschau brummen, mal nur so gammeln – das wäre ja auch nicht schlecht gewesen.

Wichtiger: Ohne Blue Sunday gibt es eben auch kein Saturday Night Fever. Trotzdem wirken die Verkäuferinnen so aufgekratzt, als seien sie eine einzige romantische Räuberbande gegen kaltherzige Bürokraten. Der Chef ist nicht zu sehen. Vielleicht schaut er von irgendwo hinab auf uns Lemminge oder gantert mit seinem verwegenen Zwirbelbart vor der Lokalpresse herum.

Natürlich drohen den Sündern Strafen – ein Zwangsgeld etwa. Oder das „Allgemeine Ordnungswidrigkeitengesetz“. „Doch davon lässt sich ein Kaufhof-Chef nicht abschrecken!“ jubelt die Bild-Zeitung. Hoho, hier kommt Robin Hood! Aber ich bin nicht besser, habe fahrig in Nice-Price-CDs gewühlt, aus Langeweile drei gekauft und den Sonntag an eine Aktiengesellschaft verraten.

Rolltreppenende, Erdgeschoss. Wenn der Fernsehvogel mich jetzt auch noch anspricht, dann renne ich weg. Sonst rede ich nachher noch wie diese Dame von der Handelsgewerkschaft. Das muss ja wohl auch nicht sein.

André Mielke