Welt ohne Rock in allen Duren und Mollen

■ Ohne Volkswagen, dafür „bewusstseinsverengend“: Anti-Popkomm im Molotow

Wer sich an diesem Wochenende in das Nachtleben begibt, hat gute Chancen an allen Tresen dieser Stadt einen Platz zu finden: Die üblichen Verdächtigen sind nämlich – wie jedes Jahr um diese Zeit – auf VW-gesponserter Landverschickung in Köln.

Damit die hier fehlenden Journalisten und Musikbusiness-Leute während der Popkomm auf der Straße erkannt werden können, bekommen sie bei der Akkreditierung als Erkennungszeichen Taschen in schlechter Qualität geschenkt, auf denen das „Popkomm“-Logo prangt. In Hamburg rennt immer noch jemand mit einer zwei Jahre alten Tasche rum, die er vermutlich schon oft flicken mußte: „Hey, ich war dabei, Popkomm 1997“ – als hätten nur 150 Leute Bescheid gewusst.

Auf der Messe trifft man viele Leute, die man lange nicht gesehen hat und die aus Langeweile oder Verzweiflung Journalisten geworden sind oder in der Musikbranche arbeiten. Mit denen trinkt man dann viel und redet darüber, dass die Konkurrenz groß und das Business hart ist. Man drückt sich am WEA-Stand rum und nimmt eine Menge blöder Promo-CDs mit, weil: Es muss sich ja lohnen. Abends rennt man zu den Konzerten und denkt sich: „Super, wie schnell ich über die Gästeliste wieder reingekommen bin.“ Aber drinnen sind sie immer schon alle da, lassen den Schweiß von der Decke tropfen und reden über das „nächste große Ding.“

Weil Walding, Sänger von Knarf Rellöm Ism, die heute Abend spielen werden, solche Sätze wie „Ich höre den Hit nicht“ oder „Das ist ein Thema für den Herbst“ nicht braucht, veranstaltet er nun im zweiten Jahr das „Hurra, die Deppen sind weg!“-Festival im Hamburger Molotow. „Viele denken, wir seien selbst nicht eingeladen worden und deswegen beleidigt. Aber wir wollen da einfach nicht hin,“ sagt Walding. So sehen das auch die anderen, die an diesem Abend auftreten: Aus Berlin reist Mutter-Sänger Max Müller an. Über den zu schreiben ist schwierig. In einem alten Spex-Interview steht aber zum Glück, dass er sich immer freut, wenn überhaupt etwas über ihn geschrieben wird – auch wenn es „der letzte Schrott“ ist. Fest steht, dass bei What-s so funny about gerade seine zweite Solo-Platte „Endlich tot“ erschienen ist. Und vermuten lässt sich, dass Max Müller die Popkomm herzlich egal ist.

Aus Duisburg kommen „die Simon & Garfunkel des Euro-Westcoast“: Claudine Heuchler und St. Ill behaupten ehemalige Stockhausen-Schüler zu sein und spielen „bewusstseinsverengende Musik, zu der man nicht arbeiten kann.“ Dass keiner arbeiten oder schlafen geht, sondern dass alle da bleiben und feiern, das hofft auch Marga Glanz aus dem Top Ten-DJ-Team. Die schleppt ihre Plattentaschen heute weder nach Köln, noch in den Pudel, sondern bringt alle möglichen Platten mit ins Molotow und spielt dann das, was passt.

Meike Fries

Hurra, die Deppen sind weg! heute, 21 Uhr, Molotow