User werden zu Dealern

Neue Verfügung: Wer in Hamburg wiederholt mit Kleinstmengen Heroin oder Cannabis erwischt wird, gilt ab 1. September als Dealer  ■ Von Elke Spanner

Zwei Kugeln Kokain im März, zwei im April. Im Mai wurde Mamadu D. noch ein Mal von der Polizei mit Kokain erwischt. „Eigenkonsum“, gab er erneut an und konnte gehen. Wird Mamadu D. im September ein weiteres Mal mit Drogen aufgegriffen, so kann er gleich mit aufs Revier kommen. Denn dann tritt eine neue Verfügung in Kraft, mit der Innen- und Justizbehörde verstärkt gegen Kleindealer zu Felde ziehen wollen.

Seit 1992 steht im Betäubungsmittelgesetz, dass straffrei bleiben kann, wer zum Eigenkonsum mit einer geringen Menge Drogen angetroffen wird. Hamburg hat diese auf maximal zehn Gramm Marihuana, acht Briefchen Heroin, acht Kügelchen Kokain oder zehn Ecstasy-Pillen festgelegt. Darauf hätten sich die DealerInnen längst eingestellt, erläuterte gestern Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD): Sie seien nur mit ein paar Gramm Cannabis oder wenigen Briefchen harter Drogen unterwegs, um im Kontrollfall den Anschein eines Konsumenten zu erwecken. Oft würden sich seine BeamtInnen ärgern, wenn sie wiederholt an immer den gleichen Straßenecken dieselben Dealer beobachteten, ohne beweisen zu können, dass sie Handel treiben.

Aus der Beweisnot soll die neue Verfügung sie befreien: Als gewerbsmäßiger Dealer gilt fortan, wer drei bis vier Mal mit Drogen angetroffen wird. „Ein Vergehen wird so zum Verbrechen“, stellte Wrocklage gestern zufrieden fest. Mussten bisher die Ermittlungsbehörden beweisen, dass jemand gewerbsmäßig Handel treibt, so muss der Kontrollierte nun glaubhaft machen können, dass er selbst die mitgeführten Drogen nimmt.

Mit der neuen Verfügung schlängelt sich Hamburg auch aus einer weiteren Zwickmühle heraus. Um Drogen verschwinden zu lassen, schlucken etliche DealerInnen die Kügelchen herunter. In anderen Bundesländern, etwa in Bremen, flößen BeamtInnen ihnen daraufhin Brechmittel ein, um das Corpus Delicti wieder aus dem Magen zu befördern. Ob diese Praxis mit der Menschenwürde vereinbar ist, muss das Bundesverfassungsgericht noch entscheiden. Aufgrund der ungeklärten Rechtslage hat Hamburg bisher nicht zu der rabiaten Methode gegriffen. Um diese hinfällig zu machen, ist in der neuen Verfügung festgelegt worden, dass es zum Beweis der Dealerei ausreichen soll, wenn ein Polizist beobachtet, wie jemand Drogen herunter schluckt.

„Hamburg geht damit einen eigenen Weg“, stellte Jusitzsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) fest. Den wollte die Polizei schon lange beschreiten. Nicht mitgespielt hatte bisher die Staatsanwaltschaft, die nun verpflichtet wird, auf der Grundlage von Polizeiaussagen Ermittlungen wegen Dealerei einzuleiten.