Campen gegen Gentechnik

Das Barnimer Aktionsbündnis campt gegen Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Zwei Aktivisten wurden verhaftet, sind aber wieder frei. Sie wollten an einem Versuchsfeld ein Transparent anbringen    ■ Von Susanne Klingner

Zum Frühstück gibt es Tee aus gelben Plastiktassen. Viel Tee. Er schmeckt wässrig, ist aber heiß und damit gut gegen das trübe Nieselregenwetter. Die ersten Zigaretten werden gedreht und die Strickjacke fester zugemacht. Dreitage-bärte und schwarze Füße zeugen von einer knappen Woche Aktionscamp. Vergangenen Freitag haben sich 20 Aktivisten vom Barnimer Aktionsbündnis gegen Gen-Food-Felder getroffen, um zehn Tage lang mit einem Camp gegen Gentechnik zu protestieren.

Es ist kurz nach elf. Eigentlich soll jetzt um elf schon die erste Veranstaltung des Tages starten, doch erwartete Gäste fehlen noch. Heute stehen mögliche bundesweite Aktionen auf dem Plan, denn die Initiativen wollen sich vernetzen. Ihr Gegner ist die Gentechnik-Industrie, hier im Barnim ist es die Firma AgrEvo, eine Tochter von Schering und Hoechst.

Weil das Diskussionsforum noch eine Weile auf sich warten lässt und der Regen weniger wird, bricht ein Teil der Gruppe zum Versuchsfeld von AgrEvo auf. Ein langer Spaziergang auf alten Betonwegen zu einem Feld, das sich schon von weitem von den anderen unterscheidet: Ein doppelter Drahtzaun beschützt in dezentem Abstand mehrere grüne Rechtecke, auf denen Mais, Raps und Zuckerrüben wachsen. Seit das Aktionscamp läuft, stehen am Zaun Wachschützer. Rollen die Protestierer an, greifen die Wachschützer zum Mobiltelefon. „Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen“, sagen sie grimmig, sonst gehen sie jedem Gespräch aus dem Weg.

An diesem Feld wollten die Gentechnikgegner gleich zu Beginn des Camps ein Transparent anbringen. Die Polizei nahm zwei von ihnen fest, musste sie aber am nächsten Morgen wieder freilassen. Es lag „keine Feld- und Sachbeschädigung“ vor, so der Polizeibericht.

Was die Pflanzen für ihre Hersteller so beschützenswert und für die Aktivisten so interessant macht, ist ihr Erbgut. Sie sind gentechnisch so verändert, dass sie resistent gegen „Liberty“ sind. Liberty ist ein Pflanzenschutzmittel, das AgrEvo herstellt und verkauft. Das Feld kann also mit Liberty behandelt werden, ohne dass die Pflanzen Schaden nehmen. Das

gilt allerdings auch für den Raps aus dem vergangenen Jahr: Er hat sich selbst wieder ausgesät und wächst zwischen den diesjährigen Zuckerrüben – wegen seiner Resistenz ist er nicht totzukriegen.

An diesem Feld rollen die Aktionscamper täglich ihre Transparente aus, um Bauern und Einwohner auf das Gen-Feld aufmerksam zu machen. „Einige Bauern winken uns zu, andere sind total gleichgültig“, sagt Thomas. Zu den Info-Veranstaltungen im Dorf seien bisher nur wenige gekommen. „Dabei sind 80 Prozent der Verbraucher gegen genmanipulierte Nahrungsmittel. Aber mitmachen will dann keiner.“ Was die meisten Verbraucher bedenklich gegenüber der neuen Technik stimmt, sei die Tatsache, dass es bisher kaum Erkenntnisse über die Wirkung von veränderten Pflanzen gibt.

Erschlagen sitzen die Camper etwas später um ihre Gartentische unter dem geliehenen weißen Plastikpavillon. Wieder gibt es frischen Tee mit Honig. Einer steht im Kochzelt und flucht. Gekocht wird hier die ganze Woche über nur mit Bio-Gemüse vom Bauernhof, Wasser für genügend Tee steht in einem großen Wassertank neben dem Kochzelt.

Das diesjährige ist das dritte Camp des Aktionsbündnis. Dieses Jahr haben sie sich ein Stück Acker gepachtet, denn im letzten gab es Zoff mit der Polizei, weil die Aktionscamper ein Versuchsfeld besetzt hatten. Die Beamten nahmen die Personalien der Aktivisten auf und gaben sie später an die Firmen weiter. Diese verschickten Drohbriefe und forderten die Adressaten auf, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie sich verpflichten, den Feldern fernzubleiben. Das Aktionsbündnis beschwerte sich, doch außer einer Unterlassungsaufforderung ereilte AgrEvo keine Strafe. Dieses Jahr verhalte sich die Polizei korrekt, Zwischenfälle habe es keine gegeben, sagt Thomas.

Inzwischen haben auch die erwarteten Gäste den Weg von Schönefeld ins Camp geschafft und huschen zusammen mit den anderen ins „Diskussions-Zelt“. Der Regen wird wieder stärker, und es gibt wieder heißen Tee mit Honig.