Wenn Brandstiftung sich lohnt

■ Korsika wird von Bränden heimgesucht. Ermittler finden Spuren, doch die Bevölkerung will nichts gesehen haben

Auf den verkohlten Berghängen sprießen zarte grüne Pflänzchen, die sich besonders gut für Kuh- und Schafherden eignen

Paris (taz) – Eine täglich breiter werdende schwarze Schneise zieht sich über die korsische Insel. Vom Küstenörtchen Cap Corse im hohen Norden bis nach Sartène im südlich gelegenen gebirgigen Inselzentrum ragen kahle Äste in den blauen Himmel, schwarze Stoppeln staken aus dem Boden. Seit Juni sind 4.000 Hektar in Flammen aufgegangen. Und die „Brandsaison“ ist noch längst nicht vorbei. Der Bürgermeister des im Brandgebiet liegenden Dörfchens Feliceto ließ kürzlich seinem Ärger freien Lauf. „Wenn das nicht aufhört, wird Korsika vom Garten zur Wüste“, sagte er zu Journalisten. Dann rief er die Bauern, Jäger und anderen Anwohner seiner ländlichen Gemeinde zu einem „Runden Tisch“ zusammen, um das Problem anzugehen. Damit brach Bürgermeister Jean-François Poli ein Tabu. Bis zu diesem Sommer hatte es kaum ein Amtsträger auf der Insel gewagt, etwas gegen die Brände zu unternehmen, denn ein großer Teil davon ist kriminellen Ursprungs.

In den Dörfern auf Korsika gilt für Brandstiftung dasselbe komplizenhafte Schweigen wie für andere Verbrechen. Ermittler machen immer wieder dieselbe Erfahrung: Die Bauern und Hirten zeigen ihnen die kalte Schulter. „Wenn man nicht gerade jemanden in flagranti erwischt, ist es beinahe unmöglich, Zeugenaussagen zu bekommen. Die Leute haben Angst“, sagt ein korsischer Feuerwehrmann, der nicht namentlich genannt werden will. Der wichtigste Grund für die Brandstiftungen ist das Interesse der Bauern an einer Erweiterung des Weidelands. Denn auf den verkohlten Berghängen sprießen bei den ersten Regenfällen des Herbstes zarte grüne Pflänzchen, die sich besonders gut für Kuh- und Schafherden eignen. Und die Rinderhaltung ist auf Korsika, nicht zuletzt dank der Prämien aus Brüssel, ein einträglichesGeschäft.

Ein weiterer – wenngleich seltenerer – Grund für Brandstiftung ist die Jagd. „Manche brennen Nachbarjagden ab, um das Wild auf das eigene Land zu treiben“, erklärt ein korsischer Bauer, der seinen Namen natürlich ebenfalls nicht sagen will.

An den Brandstellen stoßen die Feuerwehrleute und Polizisten häufig auf Spuren, die sie als „eindeutig“ qualifizieren. Mal sind es Benzinkanister, mal Feuerzeuge und seit letztem Sommer immer häufiger auch die metallenen Halterungen von „Moskito-Killer-Spiralen“. „Da hat jemand rund um den Berghang, den er abfackeln wollte, Moskito-Killer angezündet. Bis die abgebrannt sind und der Wind das Feuer auf das umliegende Land geblasen hat, sind die längst über alle Berge“, erklärt ein Ermittler. So ist die Aufklärungsquote minimal. Und selbst wenn einmal Zündler in die Hände der Fahnder fallen, gehen sie in der Regel straffrei aus. In den Bergen rund um das Dorf Furiani bei Bastia, wo es in der vergangenen Woche 17-mal brannte, nahm die Polizei zwei Männer fest, die mit leeren Benzinkanistern unterwegs waren. Nach 48-stündiger Inhaftierung kamen beide wieder auf freien Fuß: Ohne Auflagen. Dorothea Hahn