Querspalte

■ Chianti-Sozialismus

Seit 20 Jahren fährt Tony Blair zum Urlaub in die Toskana, in das beliebte Aufmarschgebiet sozialdemokratischer Touristen aus ganz Europa. Der englische Premierminister residiert dort wie ein König auf seiner Reise durch die Provinzen: Ein lokaler Fürst stellte dem britischen Regenten seinen Palast zur Verfügung, in dem auch Tito schon genächtigt haben soll – natürlich erst nach einer ausführlichen Renovierung. Schön ruhig hat es der Tony in chiantishire, wie die britische Presse die neue Provinz nennt.

Ein stattliches Pinienwäldchen, nach Informationen der New York Times drei Quadratkilometer groß, umschließt die Pfalz und verwehrt dem gemeinen Volke den Einblick. Tony freut sich, einfach mal ausspannen will er mit Frau und drei Kindern. Urlaub von den Mühen seiner Herrschaft im Inselreich. Auch das kühle Nass des Mittelmeeres ist nicht weit. Doch spätestens hier gewann die Reise eine politische Komponente. Ein ganzer Strand sollte für Tony abgesperrt werden. Schämt er sich seiner englischen Blässe? Man weiß es nicht, aber der Strand wurde nach Protesten der Eingeborenen nun doch freigegeben. Allerdings nur für den Publikumsverkehr per Boot. Wer mag da kommen? Die Argentinier sicher nicht, die sind ja schon glücklich, wieder die Falklandinseln besuchen zu dürfen. Vielleicht rudert ja der belgische Ministerpräsident mal schnell von seiner Urlaubsinsel Sizilien herüber? Der ist übrigens auch ein Sozi.

Bleibt also doch die Frage nach der Natur dieser Reise. Ist da nicht doch die große Politik im Spiel? Die Indizien häufen sich: Auch Bundeskanzler Schröder genießt weiter südlich der Blairs in Positano ein paar Zigarren auf der Sonnenterrasse und hält eine gepflegte Konversation mit Doris: „Du Schatz, ich war schon gut, gell?“

Was machen also die ganzen Sozen in Italien? Wird da was ausgeheckt? Liegt die Neue Mitte etwa in Italien? Bald wird Tony auch einen kleinen Ausflug nach Siena machen um dort an archäologischen Grabungen teilzunehmen, weiß der Guardian. Mal schaun, vielleicht kommt auch der Gerd mit und die beiden Spezis machen sich gemeinsam auf die Suche nach den wahren Wurzeln der Sozialdemokratie: dem „Chianti-Sozialismus“. Bernd Dörries