So nett, so westlich, so serbisch-national

Der Oppositionsführer Zoran Djindjic ist Liebling des Westens. Doch er hat auch keine Scheu, sich mit Extremisten zu zeigen. Bei den Opfern der Kriege hat er sich bis heute nicht entschuldigt. Ein Porträt  ■   Von Erich Rathfelder

Viele Menschen in Serbien und im Ausland finden Zoran Djindjic eine sympathische Erscheinung. Der Chef der Demokratischen Partei Serbiens sieht gut aus, spricht mehrere Sprachen, hat eine nette Familie und bewegt sich selbstsicher auf dem diplomatischen Parkett. In Gesellschaft ist er umgänglich und freundlich. Und er versteht sich darauf, messerscharf die Schwächen der politischen Gegner sezieren. Seit Beginn seiner politischen Laufbahn hat Djindjic, der betont, den westlichen Werten verbunden zu sein, gegen die Diktatur gekämpft.

Der 46-jährige Zoran Djindjic hat also auf den ersten Blick ein Profil, das ein erneuertes, demokratisches Serbien dringend bräuchte. Er ist mit den wichtigsten Politikern des Westens persönlich bekannt, genießt Ansehen und Respekt in den USA und vor allem in Deutschland, wo er in den siebziger Jahren studiert hat.

Die Zeit scheint für ihn zu arbeiten. Das Land braucht eine neue Führung. Warum also sollte Zoran Djindjic, der Philosophieprofessor aus Belgrad, dem abgewirtschafteten und international isolierten Nationalkommunisten nicht nachfolgen?

Diese Frage wird von vielen Diplomaten und Politikern gestellt. Das Fragezeichen aber bleibt für viele politischen Beobachter. Denn Zoran Djindjic hat sich in den letzten Jahren auch als Machtpolitiker erwiesen, der sich im Zweifelsfall auch mit zweifelhaften Kräften verbündet.

Unvergessen sind seine Annäherungen an die serbischen Extremisten in Kroatien, sein Taktieren mit dem in Den Haag angeklagten Kriegsverbrecher Radovan Karadžic, den er demonstrativ zu dem Zeitpunkt in Pale besuchte, als die Nato 1994 zum ersten Mal serbische Artilleriestellungen um Sarajevo bombardieren wollte, um die Belagerung der Stadt zu beenden.

Zoran Djindjic hat sich nicht gescheut, sich offen mit Rechtsextremisten zu zeigen. Ist er also ein Populist, der bereit ist, die von ihm stets hochgehaltenen demokratischen und westlichen Werte für persönliche Ambitionen und um der Macht willen zu opfern?

Für Zoran Djindjic sind die Verteidigung von demokratischen, westlichen Werten und die Annäherung an großserbische, nationalistische Positionen offenbar kein Widerspruch. Er steht in der Tradition der Demokratischen Partei Serbiens, die schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte, demokratische Positionen mit großserbischen Zielen zu verbinden.

Der Offizierssohn Djindjic trat schon in den achtziger Jahren für die Trennung der Bevölkerungsgruppen auf dem Balkan ein. Im Herbst 1991 erklärte er auf einer von der taz organisierten Veranstaltung in Berlin, der Balkan sei eine Region, in der die Bildung der Nationen, die anderswo im 18. und 19. Jahrhundert stattgefunden hätten, sehr spät eingesetzt habe.

Er erklärte den Krieg in Kroatien mit dieser Spannung und rechtfertigte damit indirekt die Politik der ethnischen Säuberungen. Der Kampf um die Territorien und die damit verbundenen Verbrechen wurden von ihm damals als ein natürlicher Prozess entschuldigt. Aus seinem Blickwinkel scheinen demnach Figuren wie Radovan Karadžic und Ratko Mladic eher Erfüllungsgehilfen der Geschichte denn Kriegsverbrecher zu sein.

Als ein Denker, der sich für die demokratische Öffnung des sozialistischen Regimes aussprach, begrüßte er 1988 die „Bewegung der Versammlungen“ als demokratische Öffnung des Regimes. Dass auf diesen von Miloševic organisierten Demonstrationen Hass gegenüber den Albanern des Kosovo verbreitet wurde, dass hier die Mobilisierung der serbischen Bevölkerung für den Krieg begann, wurde von dem bei Habermas studierenden und mit der Kritischen Theorie vertrauten Philosophen akzeptiert. Er stufte offenbar die nationalen Ziele Serbiens als höheren Wert ein. Djindjic hat sich außerdem, genauso wie die überwältigende Mehrheit der Serben, bei den Opfern der Aggressionskriege in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo bis heute nicht entschuldigt.

Und dennoch ist er ein Oppositioneller im Miloševic-Regime geblieben. Er führt einen prinzipiellen Kampf gegen die Diktatur der Sozialistischen Partei. Anders als der Vorsitzende der Serbischen Erneuerungsbewegung Vuk Draškovic, der sich mehrmals vom Saulus zum Paulus wandelte, ist Djindjic in Bezug auf die Innenpolitik Miloševic' keine Kompromisse eingegangen. Er will Demokratie für die Serben, er tritt ein für eine grundlegende Wirtschaftsreform rin, will die Macht des Parlamentes im Verhältnis zur Macht des Präsidenten aufwerten. Und er will eine freie Presse.

Als er im Februar 1997 zum Bürgermeister Belgrads gewählt wurde, wollte er zeigen, was in ihm steckt. Doch das Bündnis mit Vuk Draškovic brach auseinander – die beiden konnten sich schon während der 88 Tage dauernden Demonstrationen nicht ausstehen; zu unterschiedlich sind ihre Temperamente und Ambitionen.

Miloševic blockierte die Stadt finanziell, und Djindjic' Demokratische Partei war nicht in der Lage, die politischen Strukturen zu erneuern. Das Experiment endete in einem politischen Fiasko. Für Djindjic ein empfindlicher Rückschlag auf dem Weg zur Macht.

Nun sieht er seine Stunde erneut gekommen. Die Mächte der Welt wollen einen Wechsel in Serbien. Und Djindjic will nach wie vor Präsident Serbiens werden. Jetzt führt er eine Bewegung der modernen serbischen Mittelschicht – oder was von ihr übrig geblieben ist – und den konservativen Kräften um die orthodoxe Kirche an. Seine Gegner sind seit zehn Jahren dieselben geblieben: Miloševic und sein Staatsapparat, auch Vuk Draškovic, der Zauderer, und die extremistischen Nationalisten unter Vojislav Šešelj.

Wenn es ihm gelänge, die Armee auf seine Seite zu ziehen, könnte Djindjic gewinnen. In Serbien ist alles möglich – leider aber auch der Sieg der Extremisten.