Kutips zum Wochenend

Kürzlich ereignete sich in der Harald-Schmidt-Show ein bemerkenswerter Zwischenfall. Ein Mann nieste, was Herrn Schmidts Aufmerksamkeit erregte. Woher er denn komme, wollte er daraufhin von dem Nieser wissen. Aus Bremen, lautete die Antwort. Und so, wie man heutzutage einen Pariser fragt, ob er täglich im Moulin Rouge verkehrt und einen Lesumer darum bittet, wegen der örtlichen Mineralwasserquelle wie ein völlig verblödeter Hornochse „LEEESUMER!!!“ zu brüllen, so fragte der Herr Schmidt den Bremer in seiner Sendung, ob er denn ein Fan von Werder Bremen sei. Und was antwortete der Nieser? „Muss ja.“

Wie hätte wohl ein niesender Gelsenkirchener in vergleichbarer Situation reagiert? Die Schalker Vereinshymne „Blau und weiß, wie lieb' ich Dich“ hätte er aus vollem Halse angestimmt, „Ihr seid scheiße wie der BVB“ ergänzt, das Publikum zu „Ruhrpott, Ruhrpott“-Schlachtgesängen im Kanon animiert und zum Schluss die Hosen runtergelassen, um stolz seinen Slip mit dem Konterfei von Olaf Thon zu präsentieren.

Sowas nennt der Soziologe positive Identifikation mit der Heimatregion. Wie aber nennt der Soziologe (oder besser: der Psychologe) das, was sich hinter der depressiven Formulierung „Muss ja“ verbirgt? Abgrundtiefer Selbsthass? Unüberbietbare Miesepetrigkeit? Chronische Melancholie? Kurz: Ich bin ein Bremer?

So ist das halt hier. Im August schüttet es aus Eimern. Woraufhin der Bremer ein Open-Air-Event nach dem anderen veranstaltet, nur um hernach sagen zu können, dass es sich nicht lohnt, hinzugehen, weil es eh immer nur regnet. Er nennt seine Heimatstadt generell Dorf mit Straßenbahn und käme nicht auf die Idee, das auch nur im Ansatz selbstironisch zu meinen. Und er ruft, ausgestattet mit genau einer Cher- und einer Grönemeyer-CD, ein privates Radioprogramm namens Antenne Bremen: Wir von hier ins Leben. Und nur wenige Wochen nach dem Programmstart bleibt davon nur noch ein kümmerliches, verklemmtes „Wir von hier“ übrig. Wenn es nicht die gute miese Bremer BILD-Zeitung geben würde, die zumindest ab und an Stimmung in die Bude bringt, indem sie etwa dem landesweit gesuchten Straftäter Zurwehme ohne den geringsten Anhaltspunkt, einfach weil's halt gut klingt, mal eben eine Mordtat in Bremen unterjubelt, die Hansestadt würde vor lauter Selbstzweifel in der mausgrauen Weser versinken. Und was tät' der Bremer dazu sagen? – „Du, das hat Atlantis aber besser hingekriegt.“

So darf das nicht bleiben. Da müssen wir raus. Ab sofort sollten Sie es also vermeiden, die Zukunft Bremens, den Space Park, als Einkaufszentrum mit Rakete zu verunglimpfen. Sie sollten eine Bürgerinitiative gründen, die sich dafür einsetzt, dass das popelige Stadtmusikantendenkmal abgerissen und durch ein Modell von der Größe des Eiffelturms ersetzt wird. Und wenn Sie demnächst mal wieder niesen und Harald Schmidt sie erneut fragt, woher Sie kommen, brüllen Sie „Antenne Bremen“, singen ein Medley aus Cher- und Grönemeyer-Hits, reißen sich ihre Hose he-runter und halten Ihren grünweißen Slip mit Henning Scherf-Konterfei stolz in die Kamera. Den zurzeit amtierenden Bürgermeisterdarsteller wird so viel Bürgerengagement bestimmt erfreuen.

Übrigens: Niesen ist geil! Sagt der Kollege. Der ist Bremer. Und „muss ja“ sagt der schon lange nicht mehr. taz