■ Das Diepgen des Tages
: Kausch auf die Couch

Berlin hat viele hässliche Seiten. Es könnte aber schlimmer sein. Viel, viel schlimmer. Stellen wir uns einmal vor, wie schlimm: Eine Berliner Winternacht. Die Puhdys und Modern Talking sind auf freiem Fuß. „Stark wie ein Baum“, schallt es vom Platz vor dem Roten Rathaus; „Brassaluiluilui“, quiekt es vom bierbudenumsäumten 17. Juni. Auch am Kulturforum versteht man sein eigenes Wort nicht mehr: Hier sind Trommelgruppen aus aller Herren Länder gleichzeitig am Werk. Sie kennen keine Gnade.

Tausende von Betrunkenen torkeln durch die Straßen. Am Brandenburger Tor schießt plötzlich eine 20 Meter hohe Wasserwand in den Himmel, auf die nun eine Lasershow projiziert wird. Der Gendarmenmarkt ist vereist und von Schlittschuhläufern besetzt. Am Rande der Eisbahn wird ein klassisches Konzert auf Videogroßleinwand übertragen. Auf dem Platz der Republik steht ein gigantisches Zelt. Eingelassen wird nur, wer eine Eintrittskarte zum Preis von knapp 2.000 Mark erworben hat. Und immer wieder sind Detonationen zu hören.

Jemand, der sich so etwas ausdenkt, gehört normalerweise auf die Couch. Willy Edwin Kausch jedoch meidet das Möbel und gibt stattdessen eine Pressekonferenz: Das oben angeführte Szenario entspricht seiner Vorstellung von einer gelungenen Silvesterfeier. „Welcome 2000 – Berlin Open End“ heißt das Spektakel, das der Geschäftsführer der „Silvester in Berlin GmbH“ soeben der Öffentlichkeit präsentierte. Die rund 9,5 Millionen Mark, die Berlins offenes Ende kosten wird, machen den Veranstaltern keine Sorgen, schließlich erwarten sie über eine Million Besucher. „Ein ernstes Problem“ sieht Kausch allein in der Frage der Stromversorgung und einem möglichen Computercrash. Der könnte allerdings etwa die Funktionstüchtigkeit der Countdown-Uhr oder der Disc-Jockey-Türme beeinträchtigen.

Zu wünschen ist das aber nicht. Sämtliche Computerexperten dieser Stadt sind hiermit aufgerufen, dem Millennium-Bug keine Chance einzuräumen. Auf gar keinen Fall darf in der kommenden Silvesternacht das Licht ausgehen! Und zwar nicht wegen der dann zu erwartenden Massenpanik bzw. Beinbrüchen auf der Eisbahn am Gendarmenmarkt, sondern: wegen der nicht zu gering zu schätzenden Gefahr, im Dunkeln gegen Dieter Bohlen zu prallen. Oder meinetwegen auch Kausch. Molly Bluhm