Geld ist kalt, Geld ist nicht Kult

Winfried Schäfer und TeBe Berlin wähnen sich auf dem Weg in Liga eins. Heute kommt der KSC und erinnert den Coach an alte Zeiten, auch wenn der das nicht wahrhaben will   ■  Von Rüdiger Barth

Jetzt hockt er also in dieser Kabine. Die Wände kahl, es müffelt erstligareif. Winfried Schäfer hat gerade geduscht, wuschelt in seinen Haaren. Die früher rote Mähne, sein Markenzeichen, ist fast grau. Einst war er Sonnenkönig von Baden, seit März ist er Trainer des Zweitligisten Tennis Borussia Berlin. Der rote Winnie, Coach der Veilchen. Doch, farblich passt das.

Seine Stimme reibt nicht mehr so viel Eisen wie in Stuttgart. Nicht angegriffen, angriffslustig wirkt sie: „Der Aufstieg ist ein Muss“, sagt er, wie er es in jedes Mikrofon sagt. Ganz leicht geht ihm der Satz über die Lippen. TeBe hat dank der Göttinger Gruppe für elf Millionen Mark Spieler gekauft; mit einem größeren Etat als TeBes 20 Millionen Mark kalkulieren nur die drei Absteiger.

Große Namen, große Pläne: Mit Rösler, Kirjakow und Ciric will Schäfer Berlin erobern. Denn bislang moost und siecht nicht nur das Stadion. Aber dafür, dass die Katakombe des Mommsenstadions aussieht wie ein Gefängnis, kann er nichts. „Kein Berliner hat bisher zu mir gesagt: Scheiß TeBe“, sagt er. Das Image, es ... Nun, welches Image? Kein Berliner hasst TeBe, da hat Schäfer recht. Aber fast keiner liebt den Klub. Geld ist kalt, Geld ist nicht Kult. Dieses Problem hatten die Borussen seit jeher: Stets rochen sie nach Bonzen und Intellektuellen, waren nie volksnah und selten erfolgreich. Selbst als man letztes Jahr Hertha im Pokal 4:2 schlug und wochenlang rasant spielte, kamen nur 3.500 Fans nach Charlottenburg.

Ja, die Hertha. Berlin liebt die Hertha. „Stimmt so nicht“, sagt Schäfer. „Die Berliner lieben vor allem den Erfolg. Über 50 Prozent der Leute sind neutral, die wollen wir kriegen.“ Wie soll das gehen? „Mit Feuer unterm Dach.“ Schäfer lehnt sich zurück in seinem Kabuff, deutet an die Decke. Alles mommsig hier. Valencia ist weit. Er will raus, „ins Olympiastadion, mit aller Macht“. Aufsteigen aber möchten viele, Aufsteigen ist Schinderei. Am Sonntag spielte TeBe in Hannover. 1:2 zurück, 3:2 gewonnen. Durchatmen.

Die Angst vor Pleiten schwelt, zu prominent besetzt ist der Kader. „Solange wir Erfolg haben, sind alle zufrieden“, sagt Sergej Kirjakow, der beim KSC unter Schäfer mal ein Star war. Wehe also, TeBe verliert zu oft. Dann brennt die Bude, wie der Trainer sagen würde.

Training nahe des Olympiastadions. „Drauf, Männer“, ruft Schäfer. Er hat Topspieler wie Suchoparek um sich geschart und Rustikal-Kicker wie Walker, eine hochbezahlte Veteranentruppe. „Die Jungs verlieren auch in Cottbus die Nerven nicht“, sagt Schäfer. „Das ist jetzt meine Mannschaft.“ Im Vorjahr war das nicht so. Er übernahm ein zerstrittenes Team; vom Misserfolg distanzierte er sich. Nun steht er in der Pflicht.

Heute kommt nun der KSC, der zum Auftakt Bochum unterlag. Schäfer hat zwölf Jahre lang in Karlsruhe getobt, gefeiert, gelitten. „Das berührt mich nicht mehr“, behauptet er. Den berüchtigten KA-SC-Porsche hat er gegen einen BMW aus Potsdam eingetauscht. „Mein Abschied im Wildpark“, so nennt er seine triumphale Selbstinszenierung beim Gastspiel als TeBe-Trainer, „war der Schlusspunkt.“ Viel braucht es aber nicht, und Schäfer schwärmt von jenem 7:0 gegen Valencia und hadert damit, dass andere dort „alles kaputt gemacht haben“.

In Berlin hat es der 49-jährige nicht mehr mit gutmütigen Badenern zu tun, sondern mit Kaufleuten. „In zehn Jahren in die Champions League“ will Vorstandsvorsitzender Kuno Konrad. Immerhin lacht Schäfer, wenn er das hört. Aber ehrgeizige Ziele mag er. Sowieso redet er, als stünde nächste Woche der Uefa-Cup an. Wenn er über Staubsauger philosophiert, fällt ihm nicht Eilts ein, sondern der Franzose Deschamps.

Schäfers kumpelnde Rhetorik weist ihn noch als Fußballverrückten aus. Aber er arbeitet auch deshalb hier, weil er zwei Millionen Mark im Jahr verdient. Denn sein Verein ist nicht fußballverrückt. An Borussias Schalthebeln sitzen Hörige eines Versicherungskonzerns, den man ungestraft „Abzocker-Gruppe“ nennen darf. Für sie ist Fußball Geschäft. Verspricht das Geschäft keinen Erfolg, ziehen sie sich zurück. Bis in fünf Jahren müsse TeBe eine Marke sein, fordert Erwin Zacharias, der Aufsichtsratsvorsitzende der Göttinger. Wenn die Borussia also nicht die Bundesliga stürmt, ist der Klub tot. Ein Verein als Optionsschein.

Das Kalkül ficht Schäfer nicht an. „Wir müssen die Ware Fußball so souverän verkaufen wie Bayer“, sagt er, als wäre er ein Marketing-Mann, scheitert dann aber, wie schön, an der Rechtsform der TeBe-Kapitalgesellschaft: „Na, sagen Sie's, KGa, äh, A.“ Wer kennt schon die Abkürzung für Kommanditgesellschaft auf Aktien. Eine solche ist die Profiabteilung von TeBe seit März.

Trainingsende. Zugeschaut hat keiner, der nicht dafür bezahlt wird. „Der deutsche Fußball ...“, sagt Schäfer zu den zwei Lokalreportern, der eine quatscht dazwischen. Er setzt noch mal an. Das Fernsehen würde das rausschneiden – wenn es da wäre. „Der deutsche Fußball ist in Gefahr“, sagt Schäfer. Nein, TeBe hat er damit nicht gemeint.