■ III. Wahl
: Schreck läßt nach

Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen mitten in der Nacht? Zum Beispiel:

„Vor 10 Jahren: Aktuelle Kamera“, täglich gegen 0 Uhr, ORB

Auch wenn es so scheint, Rückblickssendungen sind keine Erfindung dieses Jahres, das ohne Ende jubiliert (Mauerfall, Millennium, Mondlandung). Während das ZDF seit langem einmal wöchentlich auf „Damals“ guckt, bietet N 3 gleich die Tages(rück)schau. Da kann man sich sein Leben von vor 20 Jahren nochmal angucken – jedenfalls das große Drumherum. So werden nachts um zwei immerhin Erinnerungen wach.

Der ORB hat nachgezogen und zeigt seit Monaten die DDR-Hauptnachrichten von einst. Doch obwohl die Wiederholungen der „Aktuellen Kamera“ nur zehn Jahre alt sind, kann der normale Ex-DDRler sein früheres Leben darin mitunter viel schwerer wiederkennen. Denn in der AK wurde stets besonders viel weggelassen, vor allem die doofen Seiten des DDR-Alltags. Dafür ist die andere Seite geradezu überbordend in Szene gesetzt: Planerfüllung, Planübererfüllung und Stolz-sein-auf-die-DDR. Schließlich ging da alles seinen sozialistischen Gang, auch noch im August 1989 – zumindest in der AK. Die ließ die DDR von der internationalen Presse für ihren 32-Bit-Mikroprozessor belobhudeln, die DDR-Hymne für einen Sieg bei der Schwimm-EM in Bonn komplett ausspielen und jeden vor die Kamera gezerrten Arbeiter, am liebsten vom Bau, innige Vorfreude auf den zwölften SED-Parteitag verbreiten. Und weil alles ganz anders kam, ist das AK-Sehen heute viel amüsanter.

Es ist dieser Charme des Irrealen, dieser billig gebastelten virtuellen DDR, der heute mehr fasziniert als erschreckt. Zudem gibt es ein ganz besonderes Nostalgieangebot für Ex-DDRler: Sie können auch einst real existierende Dinge (Trabis, Parteisekretäre, Betriebe) entdecken und ihr Verschwinden wahlweise schade finden oder nicht. Und eines beweist die AK auf jeden Fall: Das Wetter damals war wirklich besser, im August 89.

Gunnar Leue