Ökolumne
: Keine Überflieger

■ Die rot-grüne Koalition wird den Flugverkehr nicht eindämmen

„Wir werden uns auf EU-Ebene nachdrücklich für eine Kerosinbesteuerung im innereuropäischen Luftverkehr einsetzen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Schade um den Baum, der für das Papier sein Leben lassen musste. Denn eines scheint sicher: Rot-Grün wird mit dieser Ankündigung sowenig Ernst machen wie die Kohl-Truppe, die ebenfalls jahrelang ihren Einsatz für eine europaweite Flugbenzinsteuer beteuerte.

Es kommt sogar noch schlimmer: Lag die Absichtserklärung bis jetzt nur im Koma, so ist sie tot, seit die Bild-Zeitung verkündete, die Bundesregierung wolle die Dieselsteuer um 36 Pfennig erhöhen. Steuererhöhung gilt nicht nur per se als Unwort. Die Grünen wollen auch um jeden Preis eine Neuauflage der Fünf-Mark-Debatte vermeiden, die sie bei der Bundestagswahl Stimmen gekostet hat. Die Bemerkung ihrer Tourismussprecherin Halo Saibold, ein Flugurlaub sei nur alle paar Jahre ökologisch vertretbar, wurde auch von der urgrünen Klientel missbilligt: Schließlich entflieht auch die ihrer Winterdepression nicht allein mit Johanniskraut – obwohl sie weiß, dass ein Fernflug das Ökokonto weit stärker belastet als ein Jahr lang mit dem Manta durch die Gegend zu brausen.

Aus Sicht beider SPD-Flügel ist ein anderer Satz im Koalitionsvertrag sowieso viel entscheidender: „Der Flugverkehr ist zur Sicherung der Mobilität notwendig.“ Das erinnert zum einen an die 60er Jahre – jedem Arbeiter sein Auto. Und es befriedigt die Globalisierer. Vorbei die Zeiten, in der SPD und Grüne CSU-Finanzminister Theodor Waigel einmütig aufforderten, für diese unökologische Art zu reisen sieben Milliarden Mark an Steuern einzukassieren. Jetzt, wo man könnte, will man nicht.

Derweil wird Fliegen immer billiger, und die Zahl der Passagiere steigt um jährlich etwa sechs Prozent. Mit der Lufthansa kommt man für 326 Mark inklusive Flughafengebühr von Berlin nach Paris – in weniger als zwei Stunden. Wer einen Wochenendtrip mit dem Zug unternimmt, zahlt für die Fahrkarte 398 Mark – und wird für die 12,5-Stunden-Nachtfahrt wohl auch noch eine Liege für 52 Mark reservieren. Da bedarf es schon einer gehörigen Portion ökologischen Bewusstseins oder Flugangst, um den Weg über die Schiene zu wählen.

Dass Reisen per Jet immer preiswerter wird, hat mehrere Gründe. Die fehlende Kerosinsteuer ist nur einer. Außerdem ist die Fliegerei auch von der Mehrwertsteuer befreit. Hinzu kommen die Umstrukturierungen in der Branche. Seit 1997 darf jedes Unternehmen überall starten und landen: Auch im Inland gibt es Konkurrenz.

Die Fluggesellschaften reagierten mit weitgehenden Rationalisierungen. Erst kürzlich verkündete die British Airways, zwölf Prozent ihrer Flugzeuge und auch einen gehörigen Teil des Personals auszumustern. Viele Carrier haben außerdem Unternehmensteile ausgelagert. Statt nach den Tarifen im öffentlichen Dienst wird dort vielfach nur noch ein erheblich magererer Stundenlohn bezahlt. Und schließlich haben sich die Unternehmen mit Kooperationspartnern zusammengeschlossen. Durch gemeinsame Reservierungssysteme sparen sie viel Geld: Mit Zubringer- und Anschlussflügen lässt sich auch die Auslastung der eigenen Maschinen erhöhen. Die Lufthansa vermeldete diese Woche, fast 72 Prozent ihrer Sitze seien inzwischen belegt – so viel wie nie zuvor.

Doch nicht überall in Europa können sich die Fluggesellschaften von staatlichen Begehrlichkeiten so wenig bedroht fühlen wie im rot-grünen Deutschland. Skandinavien und Österreich, das beim EU-Beitritt seine Kerosinsteuer abschaffen mußte, drängen auf eine gemeinsame Regelung. Und die Gesellschaft britischer Luftfahrtunternehmen schlug diese Woche eine freiwillige Selbstverpflichtung zur effektiveren Nutzung von Flugbenzin vor. Den Grund dafür verschweigt der Verband nicht: Man will eine europäische Kerosinsteuer verhindern. Mit der würden die Abgase kaum reduziert, behauptet die Gesellschaft. Und sie sei unpopulär, weil die Bevölkerung sie als Abgabe auf den Urlaub ansehen würde. Das Projekt dürfte bei der Bundesregierung auf offene Ohren stoßen. Eine Selbstverpflichtung würde zwar fast nichts bewirken, weil sie sich am sowieso zu erwartenden technischen Fortschritt orientiert. Sie ließe sie sich in der Öffentlichkeit jedoch wunderbar als Engagement für die Umwelt verkaufen. Doch auf EU-Ebene wird man das Spiel schnell durchschauen: Spätestens seit dem Desaster mit der Altautoverordnung gilt die deutsche Regierung dort in puncto Ökologie nur noch als Bremser. Annette Jensen