TBT-Entsorgung macht BI Angst

■ Ab September beginnt Bremen mit der Entsorgung von Tributylzinn (TBT) aus Bremerhavener Hafenschlamm

Wenn der Hafenchef träumt, kommt er ins Schwärmen. „Ohne Tributylzinn in unserem Hafenschlick wäre der Schlamm exzellente Gartenerde“, überlegt der Chef des Hansestadt Bremischen Hafenamtes Bremerhaven, Hinrich Gravert. Nur wie kommt das Giftzeug raus aus dem Schlick? Dazu startet ab September in Bremerhaven und Bremen eine millionenschwere Testreihe. Einer, der mit Sicherheit auf Graverts Gartenerde pfeifen wird, ist Wilfried Hegemann von der Bürgerinitiative Lanhausen. „Wir haben Angst“, kritisiert Hegemann den Großversuch.

Hauptbestandteil des neuen Entsorgungskonzeptes ist das Vermeiden von Hafenschlick. „Wir haben die Schleusen abgedichtet, pumpen wenig schlickhaltiges Wasser in den Hafen und werden durch einen neuen Kanal schlickarmes Wasser in den Kaiserhafen eins führen“, erklärt Gravert. Kostenpunkt: Mehr als 30 Millionen Mark. „Allein diese Verminderung von Schlick rettet uns vor dem Schließen des Überseehafens“, so Gravert. Als zweites Standbein soll in einem Test auf der Deponie Seehausen versucht werden, Hafenschlick mechanisch zu reduzieren. „Seehausen ist eigentlich gedacht für belasteten Bremer Schlamm. Wenn wir aus Bremerhaven Material in Seehausen lagern wollen, müssen die Schlämme technisch reduziert werden“, erklärt Gravert. Dies gilt vor allen Dingen für den hochvergifteten Schlamm. Wie der entsorgt werden soll, steht nämlich noch in den Sternen. Bremen prüft derzeit etwa 60 verschiedene Verfahren, diesen Giftmüll loszuwerden. Noch giftet dieser Dreck auf dem Hafengrund still vor sich hin.

Als spektakuläres Unternehmen gilt das Spülprojekt auf einer zehn Hektar großen Fläche auf der Lune-plate bei Bremerhaven. Bis zu 230.000 Kubikmeter mäßig belasteten Hafenschlicks soll dort in den nächsten drei Jahren bis zu zwei Meter hoch aufgespült werden. Durch Belüftung, Umflügen und unter UV-Strahleneinfluss, so hofft man, wird TBT zu harmlosen Zinn abgebaut.

Die fast 60 Männer und Frauen der Lanhausener Bürgerinitiative sehen das ganz anders. Sie haben Angst, dass durch den Abfluss von Spülwasser TBT aus dem Schlamm in die Lune und damit ins Grundwasser gelangen kann. „Das Spülgebiet war früher hervorragend drainiert, mit Abflussrohren direkt in die Lune“, meint BI-Sprecher Wilfrid Hegemann. Zwar soll das Abflusssystem zerstört worden sein, aber, so die BI, bei Regen könne man sehen, wie Wasser aus den Rohren fließt. Außerdem sei gar nicht ausreichend bekannt, wo die ehemaligen Plastikrohre überall verlegt worden waren. „Also kann man sie auch nicht alle zerstören“, meint Hegemann.

Eine gesundheitliche Gefährdung der Anwohner besteht nach Ansicht von Entsorgungsexperten wohl nicht. Aber, so ihre Meinung, wenn schon eine Abfalldeponie, dann soll sie auch absolut dicht und sicher sein. Dieser Meinung schließen sich die Abfallfachleute von BUND und Aktionskonferenz Nordsee, Bernd Langer und Jürgen Ritterhoff an. „Wir befürchten, dass das Hafenamt uns die zur Zeit kostengünstigste Entsorgungsmöglichkeit unterjubelt und nicht die sicherste“, meint auch Wilfried Hegemann von der BI-Lanhausen.“

„Es sollte gefragt werden, ob der Zerfall von TBT durch UV-Strahlen überhaupt möglich ist“, meint Heribert Wefers vom Bremer Institut für Umwelttechnik. „Trotz der Umwälzungen ist es fraglich, ob die Strahlen die dichte Schlickmasse ausreichend durchdringen.“

Hafenamtschef Hinrich Gravert sieht dagegen seine Zukunft TBT-frei. Muß er auch. Scheitert das Projekt Luneplate, dann kommen auf Bremen nicht mehr kalkulierbare Entsorgungskosten zu.

Die verzweifelte Suche nach einem qualifizierten Entsorgungskonzept war überhaupt erst nötig geworden, nachdem 1997 der Überseehafen Bremerhaven zu versanden drohte. Bis dahin hatte Bremen den Schlick ausgebaggert und ins Wattenmeer gekippt. Nachdem die zum Teil extreme Vergiftung des Bremer Schlicks mit TBT öffentlich wurde, verbot das Land Niedersachsen eine weitere Verklappung.

TBT ist in Schiffsfarben enthalten. Es soll das Anwachsen von Meerestieren an Schiffsrümpfen verhindern. Dieser Bewuchs verlangsamt die Fahrgeschwindigkeit und erhöht den Kraftstoffverbrauch der Schiffe.

Eine effektive Lösung für das TBT-Problem hat noch niemand gefunden. Zum Ende des Jahres wird das offizielle Verbot von TBT-haltigen Schiffsfarben durch die UN erwartet.

Thomas Schumacher