In zwölf Jahren Schulzeit zur Hochschulreife

■  Nach einem Jahr Beratungszeit legt nun ein SPD-nahes Expertengremium Vorschläge für die Schulpolitik der Zukunft vor

In die verkrustete Schulpolitik der SPD kommt Bewegung. Der „Berliner Bildungsdialog“, eine SPD-nahe Kommission von Professoren, Bildungsforschern und Lehrern, hat ein Strategiepapier erarbeitet, in dem unter anderem eine 12-jährige Schulzeit zum Abitur favorisiert wird. Auch der Religionsunterricht, die Förderung von Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache und die Grundschulreform 2000 wurden unter die Lupe genommen.

Bei dem 90-seitigen bisher unveröffentlichten Papier, das der taz vorliegt, handelt es sich um den Abschlussbericht der Kommission des Bildungsdialogs, die von Wolfgang Nowak (SPD), dem früheren sächsischen Bildungstaatsekretär, geleitet wird. In der Kommission sitzt außerdem Jürgen Baumert, Professor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, der Bündnisgrüne Tom Stryck, Berater von Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) sowie Wolfgang Harnisch, Rektor des Beethoven-Gymnasiums in Steglitz.

Die Kommission, die sich vor einem Jahr gegründet hat, wollte „Anregungen und Reformanstöße“ erarbeiten, damit sich das „Schulsystem den Anforderungen des 21. Jahrhunderts stellen kann“, so die damalige Ankündigung von SPD-Fraktionschef Klaus Böger. Das Bildungssystem der Hauptstadt werde durch die Kommission „Vorbildfunktion“ bekommen.

In dem Bericht wird einerseits eine Bilanz der derzeitigen Schulpolitik gezogen, andererseits werden Vorschläge für eine künftige Schulstruktur gemacht. So befindet die Kommission die von Schulsenatorin Stahmer im vergangenen Jahr initiierte Grundschulreform 2000 als durchaus positiv, mahnt aber weiteren Reformbedarf an. Gravierende Probleme gebe es durch einen Fachlehrermangel in Englisch und im naturwissenschaftlichen Bereich. Die Kommission fordert außerdem mehr Transparenz an den Grundschulen sowie des Leistungsstandards und der Lernfortschritte.

Auch die gymnasiale Oberstufe muss nach Ansicht der Kommission dringend reformiert werden. Das Expressabitur, das derzeit als Modellversuch an einigen Schulen läuft, wird abgelehnt. Dagegen solle die 11. Klasse wegfallen und das Abitur so geregelt werden, dass die Prüfungem am Ende der 12. Klasse liegen. Besuchten zu wenig Schüler eine gymnasiale Oberstufe an einem Gymnasium, könnte diese auch abgeschafft werden.

In Bezug auf das umstrittende Thema Religionsunterricht schlägt die Kommission vor, den derzeitigen Status quo beizubehalten. Würde der Unterricht in ein ordentliches Fach mit Benotung wie in anderen Bundesländern umgewandelt, käme es zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung des Haushalts.

In den Innenstadtbezirken sollen die Grundeinschuleinzugsbereiche neu festgelegt werden, so dass es zu einer gleichmäßigeren Verteilung ausländischer Kinder kommt. Es sollten auf keinen Fall an einer Grundschule mehr als 40 Prozent Schüler nichtdeutscher Herkunftsprache unterrichtet werden. Der Besuch einer Vorklasse soll Pflicht werden. Der Bericht soll in den nächsten Tagen der SPD-Fraktion zur Beratung vorgelegt werden. Julia Naumann

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