■ Kommentar
: Antreten zum Zittern  Der Kanzler möchte auf den Tisch hauen

Unser Sprichwortschatz bietet ein unerschöpfliches Sammelsurium autoritärer Weisheiten. Wenn der Kater weg ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Wenn aber Schröder aus Positano zurückkommt und faucht, ist der allgemeine Rückzug der kleinen SPD-Nagetiere in ihre Mäuselöcher fällig. Denn wozu braucht es den Paterfamilias? Er muss das Machtwort sprechen! Er muss auf den Tisch hauen, Kurs halten, die gerade Furche ziehen, unser getreuer Ackermann aus Niedersachsen. Zittert, Sozialdemokraten, jetzt wird der Vorsitzende sich endlich um die Partei kümmern!

So möchte Gerhard Schröder sich gern porträtiert sehen, und Bild am Sonntag hat zum Wochenende tief in den Farbtopf gelangt, um ihn und unsere Sehnsucht nach starken Männern zu befriedigen. Nur leider, leider wird auch diesmal eintreten, was für solche Selbstdarstellungen typisch ist: Es knallt, das war's aber auch.

Schröders Regierungsstil basiert geradezu darauf, im Kabinett wie in der Partei erst seine Getreuen in unwegsames Gelände vorzuschicken, sich von ihnen zu distanzieren, wenn sie sich im Gestrüpp verfangen haben, um schließlich zu verkünden, wo der Königsweg langgeht – bis zur nächsten unbekannten Wegbiegung. Dieses trial and error auf Kosten der Mitstreiter ist gut für Schröders Image, schwächt aber die Partei. Kein unwillkommener Effekt für jemanden, der auszog, die Sozialdemokratie nach dem Bild der „Neuen Mitte“ umzuformen.

Schröder hat weder die Autorität des Prügelmeisters Wehner noch die des Weltökonomen Schmidt, erst recht nicht die Willy Brandts, der die Fantasie beflügelte. Zuschlagen aber kann er. Lässig, vorzugsweise vor großem Publikum. So hat er Struck, den Fraktionsvorsitzenden, einst öffentlich als Mittelmaß desavouiert. Gemeint hat er allerdings seine eigene Partei. So gelingt mancher Überrachungscoup, aber der Tanker SPD gehorcht anderen Steuerungsmechanismen.

Politische Macht hängt nun mal mit politischer Autorität zusammen, mit charismatischer oder aus der Sache begründeter. Mit Ausnahme des Pfeifenkopfs Engholm verfügte jeder der Nachkriegsvorsitzenden der SPD über genug Autorität, um in einer verfahrenen Situation ein „Machtwort“ zu sprechen. Schröders Machtworte aber sind wie seine Autorität: erborgt. Christian Semler

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