Slovakische Roma sind in Finnland unerwünscht

Helsinki will Roma, die Asyl beantragt haben, loswerden. Als Grund muss die Drittstaatenregelung herhalten  ■   Von Reinhard Wolff

Stockholm (taz) – Finnland will alle slowakischen Roma, die in den letzten Monaten dort eingereist waren und Asyl beantragt haben, ausweisen. Das zentrale Ausländeramt begründet diese Entscheidung unter Hinweis auf die „Drittstaatenregelung“. Nahezu alle Asylsuchenden sind – und konnten mangels einer Flugverbindung auch gar nicht anders– nicht direkt aus der Slowakei nach Finnland gekommen, sondern meist über die Nachbarländer Tschechien und Ungarn, teilweise auch über Belgien.

Ausländeramtsdirektor Matti Saarelainen meinte nur lapidar dazu: „Es gibt keinen Grund, warum sie nicht in diesen primären Asylländern Asyl beantragt haben.“ Die geplanten Ausweisungen sollen nicht in die Slowakei, sondern in diese Drittländer erfolgen. Dabei ist allerdings noch nicht klar, ob Tschechien und Ungarn überhaupt zur Aufnahme der zurückgewiesenen Roma bereit sind.

Laut Erkenntnissen des Ausländeramts soll die plötzliche Fluchtwelle der Roma nach Finnland „organisiert“ sein. Angeblich seien von Reisebüros die Flüge mit Hilfe von Flugblättern verkauft worden, aus denen hervorging, dass man die Roma in Finnland schon mit offenen Armen empfangen werde. Eine finnische Boulevardzeitung, die eine dieser Gruppen von Prag aus begleitete, schilderte, die Flüge seien wie Urlaubsreisen mit Begleitung eines Reiseleiters abgewickelt worden.

Nach einer ersten kleineren Fluchtwelle Anfang des Jahres waren im Juni und Juli plötzlich über 1.000 Roma nach Finnland gekommen. Daraufhin zog die finnische Regierung am 6. Juli die Bremse und verhängte einen zunächst auf vier Monate befristeten Visumzwang für alle slowakischen BürgerInnen. Dieser Schritt stoppte die Fluchtbewegung erst einmal.

Zur Begründung ihrer Asylanträge hatten die Roma unterschiedliche Formen von Gewalt, Bedrohung und Diskriminierung in ihrem Heimatland geltend gemacht. Laut der Menschenrechtsorganisation amnesty international sind die Roma in allen osteuropäischen Ländern eine diskriminierte Volksgruppe. In der Slovakei haben sich in den letzten Jahren vor allem verschiedene Skinheadgruppen die Roma als Hassobjekt ausgesucht. Es werden regelmäßig Gewalttaten gemeldet, vereinzelt auch Todesfälle. Einige der nach Finnland gekommenen Roma berichteten, die Polizei würde offen mit solchen gewalttätigen Skinheadgruppen zusammenarbeiten.

Bereits vor zwei Jahren hatte die Gewalt gegen Roma in der Slowakei und Tschechien zu einer Fluchtbewegung erst nach Kanada und dann nach Großbritannien geführt, deren Regierungen darauf jeweils ebenso wie im letzten Monat Finnland mit der schnellen Einführung eines Visumzwangs reagierten.

Mitglieder der slowakischen Regierung bezeichneten die jetzige Fluchtbewegung nach Finnland vorwiegend als unbegründet und als Komplott. Jan Figel, Staatssekretär im slowakischen Außenministerium sagte kürzlich bei einem Finnlandbesuch „staatsfeindliche Elemente“ wollten damit die Chancen Slowakiens für eine EU-Mitgliedschaft verschlechtern. Vincent Danihel, Beauftragter der slowakischen Regierung für die Lösung des „Roma-Problems“ beschuldigte ebenfalls bei einem Besuch in Helsinki „Kräfte aus dem Umkreis des Ex-Ministerpräsidenten Vladimir Meciar, die hinter der ansonsten unbegründeten Asylbewegung stünden.

Das finnische Ausländeramt vermeidet im wesentlichen eine Auseinandersetzung mit allen inhaltlichen Fragen der Asylgesuche und verweist formal auf die Drittschutzregelung. Das wurde in den ersten Musterprozessen vor dem zuständigen Gericht, dem Landgericht Nyland, Anfang der vergangenen Woche in bezug auf Tschechien als angeblich sicheres Erstasylland auch gerichtlich abgesegnet. Hierbei handelte es sich aber um Asylsuchende, die bereits Anfang des Jahres nach Finnland gekommen waren.

Die Verfahren der im Sommer eingereisten Roma, sowie die Frage, ob auch Ungarn als ein sicheres Asylland gilt, sind beim Gericht erst für Oktober und November terminiert.