Kommentar
: Die dunkle Bedrohung

■ Schwarze Listen und braune Schläger

Ein einziges Mal hat es die „Anti-Antifa Kurpfalz“ zu trauriger Berühmtheit gebracht: Da sammelt ein Haufen minderbemittelter rechtsextremer Untergrundstrategen in Ludwigshafen, Rheinland-Pfalz, Informationen über Linke aus Pankow. Garniert mit dummdeutschen Parolen wie „Liebe und ehre Deine Frau“ werden politische Gegner als potentielle Anschlagsopfer auserkoren. Die schwarze Liste mutet gefährlich an: Wer derart schlecht recherchierte Werke verfasst, ist zu allem fähig.

Mehr als die Existenz von braunen Splittergruppen beweist die Liste allerdings nicht. Gezielte Anschläge wie das versuchte Rohrbombenattentat gegen ein PDS-Mitglied waren bisher die Ausnahme. Also falscher Alarm? Weit gefehlt: Die Bedrohung durch Rechtsradikale ist in vielen Bezirken, besonders in Ostberlin, längst zum Alltag geworden.

Allerdings handelt es sich bei den Tätern in der Regel nicht um neonazistische Wirrköpfe aus Südwestdeutschland, die mit der Verve eines Briefmarkensammlers die politische Linke katalogisieren. Die real existierende Gefahr geht von den rechten Schläger-gangs auf der Straße aus.

Verprügelt werden nicht Bürgermeister und Journalisten, sondern linke Jugendliche, Ausländer, Punker. Nicht professionelle Observation, sondern schlicht der Zufall und die Laune der cliquenmäßig organisierten Möchtegern-Herrenmenschen entscheiden in den national befreiten Häuserblocks darüber, ob die Betroffenen lebend nach Hause kommen. Dahinter steckt keine terroristische Strategie, sondern mit Gewaltbereitschaft gepaarter Rassismus.

Während aber beim Auffliegen der Nazi-Sherlock-Holmes aus Ludwigshafen die Betroffenheit groß ist, werden Überfälle der ganz normalen Prügel-SA oft verharmlost. Der Verfassungsschutz verzeichnete im vorigen Jahr 72 Körperverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.

So scharf also gegen die Verfasser der neonazistischen Adress-pamphlete vorgegangen werden muss: Eine Gefahr sind sie, verglichen mit dem Volksgenossen von nebenan, nicht.

Andreas Spannbauer

Bericht Seite 20