"Hungern muss sowieso niemand"

■ Interview mit Hans W. Geißendörfer, dem Produzenten der "Lindenstraße", über sinkende Quoten und die Qualität der Drehbücher sowie die Zukunft der Serie

Rushhour auf der Lindenstraße: die Einschaltquoten sind von durchschnittlich sieben auf fünf Millionen Zuschauer gesunken, die Schauspielerin Annemarie Wendl ruft laut „Bild am Sonntag“ zum Streik auf (von dem sie jetzt nichts mehr wissen will), der ehemalige Produktionschef Christian Huth bemängelt schlechte Drehbücher. Aus Griechenland beantwortet Produzent Hans W. Geißendörfer drängende Fragen.

taz: Wir machen uns hier fast schon Sorgen um Ihre Schauspieler – müssen die hungern, weil sie sich kein Zubrot durch Werbung verdienen dürfen? Dürfen die nie ins Ausland fahren?

Hans W. Geißendörfer: Das ist glattweg falsch. Hungern muss sowieso niemand. Die werden alle nicht nur branchenüblich, sondern überdurchschnittlich bezahlt. Es darf auch jeder reisen, wohin er will. Schauspieler, die gegen Ausfall versichert sind, müssen aber anmelden, wenn sie nach Asien, Amerika oder Afrika fahren.

Das hört sich eigentlich ganz normal an. Wie erklären Sie sich die Aufregung der letzten Tage?

Da steckt natürlich in erster Linie dieser ehemalige Mitarbeiter Huth dahinter, der aus irgendwelchen Gründen der Lindenstraße schaden will. Mehr ist es nicht. Wir hatten schon mal vor anderthalb Jahren eine Diskussion um die Knebelhaftigkeit der Verträge. Damals hat sie der WDR prüfen lassen, mit dem Ergebnis, dass sie einwandfrei sind.

Warum will Herr Huth der Lindenstraße schaden?

Ich vermute, er fühlt sich ungerecht behandelt. Ich musste ihn leider unehrenhaft freistellen, weil er das Vertrauen der Geschäftsführung verloren hatte. Er war allerdings nie zuständig für die Beurteilung von Drehbüchern. Er war Produktionschef. Er hatte mit Inhalten nichts zu tun.

Wie lange gibt es die Lindenstraße noch?

Ich habe eigentlich keine Angst, dass die Lindenstraße aufgrund dieser Kampagne zu Grunde gehen wird. Die Leute, die sich jetzt in der Öffentlichkeit geäußert haben, sind dafür am schlechtesten qualifiziert. Herr Huth hat keine Kompetenz. Und Frau Wendl, die auch zitiert wird: die liest nie ein Drehbuch, sondern nur ihre eigenen Texte. Wie kann sie dann die neuen Autoren beurteilen? Sie ist von Herrn Huth für seine Kampagne missbraucht und instrumentalisiert worden.

Aber auch langjährige Betrachter der Lindenstraße kritisieren, die Handlungsstränge seien früher besser geplant gewesen.

Wir erzählen jedes Jahr 156 Geschichten. Da sind natürlich Geschichten dabei, die nicht so gut greifen, zu kompliziert oder nicht genregerecht sind. Vielleicht liegt der Eindruck aber auch am Autorenwechsel. Allerdings gibt es einen Autor, der vom ersten Tag an wesentlich Plots und Inhalte und Psychologie und Figuren geprägt hat – das bin ich. Es kann eigentlich nicht sein, dass ich mich so verändert habe, dass sich auch die Lindenstraße wirklich verändert hat. Ein neues Team zusammenzustellen braucht Zeit und Geduld. Wir hatten etwas Pech mit der Regie. Aber wir sind schon wieder auf dem aufsteigenden Ast.

Aber muss sich die Lindenstraße angesichts der großen Soap-Konkurrenz nicht verändern?

Das tut sie ja auch. Sie ist im Erzählrhythmus schneller geworden. Im fünften Jahr hatten wir vielleicht fünfzehn szenische Bilder in einer Folge. Heute haben wir bis zu fünfundzwanzig. Das war nicht beabsichtigt, sondern das hat sich so entwickelt.

Ist die Lindenstraße nach wie vor eine moderne Serie?

Ob wir modern sind, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass wir uns treu sind. Bei einer Umfrage im Osten ist herausgekommen, dass wir dort deshalb wesentlich weniger gesehen werden, weil zu viele Ausländer vorkommen. Aber ich werde einen Teufel tun und die ausländischen Mitbürger in der Lindenstraße reduzieren.

Interview: Stefan Kuzmany