Alle drängeln ins Land

■ Ein neuer Lieblingsplatz für große und kleine Banken sowie das Investmentgeschäft

Berlin (taz) – In Deutschland mangelt es an vielem, aber nicht an Banken. Neben den vier großen Aktiengesellschaften HypoVereinsbank, Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank drängeln sich rund 2.200 Genossenschaften, Volks- und Raiffeisenbanken mit 18.000 Zweigstellen. Hinzu kommen hunderte von städtischen Sparkassen und die zwölf Landesbanken – wie die beiden mächtigsten West LB oder Nord LB.

Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken, die durch die Steuergelder der Länder und Kommunen abgesichert sind, haben einen Marktanteil von 48 Prozent. Darüber ärgern sich die Bankvorstände der privaten Banken, die nur auf 38 Prozent kommen. Die Genossenschaftsbanken halten 14 Prozent.

Und auch ausländische Banken drängen nach Deutschland. Denn Frankfurt ist neben London der wichtigste Finanzplatz in Europa. Dort sitzen nicht nur die deutschen Finanzkonzerne Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank, sondern auch die expansionshungrige und emissionsfreudige Deutsche Börse AG und die Europäische Zentralbank. Vorletzte Woche überraschte so die niederländische ING Bank die Branche mit der Ankündigung, die deutsche BHF-Bank zu übernehmen. „Ohne Deutschland gibt es kein Europa“, sagte ING-Chef Godfried van der Lugt.

Die kleine BHF-Bank bietet der ING – nach ihrem Börsenwert eine der zehn größten Banken der Welt – das, was die Herzen der Bankiers höher schlagen lässt: Zugang zum Investmentbanking in Deutschland. „Darauf spekulieren alle“, sagt Rolf Stocken, Gewerkschaftssekretär beim Hauptvorstand der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Denn das ursprünglich angestammte Geschäft der Banken – das Verleihen und Verwalten von Geld – erfüllt die Renditeerwartungen der Bankvorstände nicht mehr.

Der große Gewinn winkt, wenn die Banken junge Unternehmen an die Börse bringen oder ihnen und den alten Konzernen zu Fusionen und Übernahmen verhelfen. Diese Geschäfte, die neudeutsch auch Mergers & Acquisitions-Transaktionen genannt werden, können von wenigen qualifizierten Mitarbeitern abgewickelt werden und bringen gleichzeitig hohe Provisionen ein.

Die Milliardendeals in der seit Anfang der neunziger Jahre rollenden Fusionswelle in allen Branchen sind teuer. Für einen typischen Deal zwischen zwei fusionierenden Unternehmen erhält eine beratende Bank pro einer Milliarde Dollar Umsatz rund vier Millionen Dollar Provision, schreibt die Zeitschrift Business Week. Die Deutsche Bank hat für ihre Beratungen bei der Fusion zwischen Daimler Benz und Chrysler allein 65 Millionen Dollar kassiert.

Das Investmentbanking erfüllt zwei Wünsche profitbewusster Bankvorstände: Wenig Mitarbeiter bringen in kurzer Zeit einen hohen Umsatz. Ulrike Fokken