Bleibt alles anders

■ Die „Hard Pop Days“ suchen am Unisee nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Kids und ...

Gute Laune ist so klebrig wie Apfelmus. Deshalb ist Reggae in Wahrheit eine transsubstantialisierte Variante von Apfelmus. Doch Musik darf zwar Sushi (roh), Salat (knackig) oder Karotte (grell) sein, aber niemals Apfelmus. Das suppt nämlich in die hinterletzten Ritzen des Walkmans hinein. Deshalb taucht Junior Delgado seinen Reggae in melancholisches Moll. Moll suppt nie. Die Sache mit den Äpfeln ist natürlich komplett Banane, denn der verträumte Mann aus Jamaika kommt jetzt leider doch nicht zu den „Hard Pop Days“. Wahrscheinlich wegen des Matsches, der bei schlechtem Wetter (Sie erinnern sich, vor zwei Jahren) unter den Fußsohlen quietscht. Vielleicht aber auch wegen des vielen musikalischen Muses.

... ihren Alten, zwischen Indie-Pop- und ...

Alle, wirklich aaalle Leute klagen über das neue, viel softere, viel mainstreamigere Profil des Festivals. Und dennoch (!) werden dieses Jahr – welch Widersinn – muchas molto mehr Menschen als vorletztes Jahr (10.-15.000) an den Unisee eilen. Diese logische Weißwurst (schön krumm) lässt eigentlich nur einen Schluss zu: dass Leute keine Menschen sind. Aber das dachten wir ja schon immer.

... Antenne-Bremen-(ooohps)-Fans, ...

Herbert Grönemeyer (ab 21h) ist vermutlich kein Mensch. Denn schon seit einigen Jahrhunderten singt er, als hätte er ein Messer im Rücken und nur noch drei Minuten Zeit, um sein Testament in die Welt hinauszugrönen. Über seine brünstige Inbrunst zu lästern ist übrigens Apfelmus, nicht weil es klebrig wäre – klebrig ist hier allenfalls Herbert Grönemeyer – sondern weil es jeder Idiot machen kann, Apfelmus und Motzen. Deshalb wollen wir von hier Herbert Grönemeyer rühmen. Der Titel seines neuen Albums ist nämlich einer jener wunderschönen Widersprüche in sich, die ihr Existenzrecht auf diesem Planeten trotz allem wacker behaupten, also eine Art vegetarischer Hamburger. Der Titel lautet: „Bleibt alles anders“, extra passend zum reformierten Festivalkonzept.

... und o Wunder: Es gibt ihn!

Antenne Bremen dagegen hat keinen Sinn für logische Vegi-Burgers. „Wir von hier“ ist ein logischer Pfannkuchen, nämlich absolut platt. Allein aus diesem Grund nannten „Die Sterne“ (11.40-12.10 h) ihre letzte Scheibe „Wo ist hier“, soll heißen, wo ist schon dieses seltsame Huhu-hier-bin-ich-Bremen. Vor einem Monat stand in der Berlin-taz ein ganzseitiger Hymnus über „Die Sterne“. Eine ganze Spalte lang hat da einer geschwärmt vom Miss-verhältnis zwischen Christoph Leichs langen Beinen und dem kurzen, weißen Pony, auf dem er durch den Videoclip „Big in Berlin“ reitet. Echt irre: Ein dicker, fetter Gedankenklops nur wegen eines winzigkleinen Ponys! Überhaupt schaffen es „Die Sterne“, dass die Menschheit gerne jede Menge schwere Gedankenklopse an ihre federleichten Sachen anheftet. Das nennt man dann Sternschnuppe, weil diese Klopse absolut schnuppe sind. Die Sterne singen nämlich nur mit der schönsten Schlaftablettenstimme der Welt herrliche Zerstreutheiten in ironisch weichgeschwemmten Kraftwerk-Elektrosound. Auch um Heather Nova (17.30-18.30 h) schwirren gerne aufgetakelte Wortmonster wie die Motten ums Licht. Wenn Männer zwischen 30 und 40 über ihre nette Stimme sprechen („engelsgleich“, „glockenrein“, „Engelsglockenklarreiniger“), dann riecht das oft nach Altherrenpornokino der 70er Jahre, eben glitschig-pfirsichig.

Xavier Naidoo (19-20.30 h) dagegen tut alles, damit selbst irgendein Bremer Magazin titelt „Starallüren? Fehlanzeige“. Alle Leute, die bei den letzten HardPopDays Sabina-S-Klasse-Setlur, sie ist Xavier Naidoos Entdeckerin und Protegé, wegen ihrer herrlichen Kotzbrockigkeit hätten knuddeln mögen, lehnen dieses Ich-bin-doch-auch-nur-Mamas-Bub-und-Gott-ist-mir-wichtiger-als-jeder-Ruh m natürlich ab. Doch wer gesehen hat, wie er mit seinem neuen I-am-proud-to-be-black-Wuschelkopf bei der großen popkomm-Comet-Preisverleihung die schusselige Plastikkugel partout nicht anfassen wollte und der Preisträger extra einen eigenen Preis-Träger dabei hatte, um sich nicht mit hohlem Tand zu beschmutzen, muss ihn mögen. Denn dann schluchzt man sogar bei Xavier Naidoos Demutsschnulze „Sie sieht mich einfach nicht“ (zum Film „Asterix & Obelix“).

Für H-BlockX (14.45-15.30 h), die einstige deutsche Crossover-Hoffnung, die sich bald in jedem zweiten Interview anhören musste, sie sei ja nicht so richtig hart, könnte sich eine Teilnahme am gezähmten Festival irgendwie rufschädigend ausnehmen. Aber durften ja sonst dieses Jahr kaum auf Open Airs abrocken. Immerhin: „The King“ (13.30 bis 14.15 h) soll nicht nur Elvis, sondern ganz postmodern auch Kurt Cobain covern. bk

27.8., 11h („Alternative Allstars“) bis 23 h, Einlass 9 h. Eintritt: 58,- / 68,-(Tages-kasse).