Falsche Fahrkarten von echtem Schaffner

■ Prozessauftakt gegen einen BVG-Mitarbeiter, der gefälschte Tickets am Schalter verkauft haben soll. Seine Kunden wurden teilweise als vermeintliche Schwarzfahrer festgenommen

Gekauft hatte er die BVG-Umweltmarke am ganz linken Kartenschalter im U-Bahnhof Steglitz. Dass er deswegen eine peinliche Festnahme und eine Wohnungsdurchsuchung über sich ergehen lassen müsse, hätte der junge Elektriker damals nicht gedacht, der gestern vor dem Amtsgericht Moabit als Zeuge aussagte. Auf der Anklagebank saß der ehemalige BVG-Fahrkartenverkäufer Ingo F. Dem 59-Jährigen wird angelastet, im Herbst 1997 gefälschte Monatskarten erworben und sie an ahnunglose BVG-Kunden weiterverkauft zu haben.

Damals waren ein gutes Dutzend BVG-Kunden mit gefälschten Fahrkarten erwischt worden. Gegen alle leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren ein. Einige, wie der Elektriker, mussten sich bei der Vernehmung entkleiden oder sich in Handschellen zu ihren Wohnungen bringen lassen, die dann durchsucht wurden.

Ein Zeuge war ganz außer sich. Er sei ein ehrlicher Mann, rief er der Vorsitzenden Richterin, Dorothee Prüfer, zu. Er wolle sein Geld wiederhaben und sei noch nie schwarzgefahren.

Um den Verdacht gegen seinen Mandanten zu entkräften, versuchte Verteidiger Hans-Joachim Ehrig zu beweisen, dass F., so er denn diese Karten tatsächlich verkauft hat, nicht vorsätzlich gehandelt habe. Die Umweltkarten werden von den Verkäufern im Moment der Ausgabe gestempelt. Die gefälschten Marken allerdings besaßen schon einen Stempel. Schon mit dem Verkauf gestempelter Marken habe er gegen die Dienstvorschrift verstoßen, gab F. zu. Allerdings ist es nach seiner und auch der Aussage ehemaliger Kollegen trotz Verbot durchaus üblich, umgetauschte (und somit bereits gestempelte) Monatskarten weiterzuverkaufen.

Unklar bleib nach der gestrigen Zeugenvernehmung, von wem F. die Fälschungen bezogen haben soll. Er ist zwar mit einem der Drahtzieher, Manfred „Otto“ S., flüchtig bekannt, doch einen „geschäftlichen“ Kontakt zu S. konnte die Staatsanwaltschaft F. nicht nachweisen. S. sitzt derzeit eine mehrjährige Haftstrafe wegen Anstiftung zur Wertmarkenfälschung ab. Er hatte zusammen mit dem Drucker Hans-Joachim H., der zu über fünf Jahren Haft verurteilt wurde, den Plan ausgeheckt. Insgesamt sind der Polizei zusammen mit dem Kopf der Fälscherbande elf Händler und Zwischenhändler ins Netz gegangen.

Das Urteil gegen F. wird für kommenden Mittwoch erwartet. Thorsten Denkler