Rückführprogramm für verlorene Seelen

■  Das polnische Katholiken-TV „Familienfernsehen“ soll die schwindende Kirchenquote wieder steigern

„Himmlische Geschäfte“ versprechen sich in Polen die Katholische Kirche und einige Großunternehmen von einem „Familienfernsehen“. Zu dem Kommerzsender hat sich die Kirche nach dem Flop mit dem bisherigen Franziskanerkanal „Zur Unbefleckten Empfängnis“ entschlossen. In den nächsten Monaten sollen zu den bisherigen Investoren noch einige hinzustoßen.

Während die „Unbefleckte Empfängnis“ bislang auf Werbung verzichtete und vor allem Gottesdienste und Ansprachen des Oberhaupts der katholischen Kirche in Polen oder des „Polak-Papiez“, des polnischen Papstes, sendete, soll das neue „Familienfernsehen“ nach dem Vorbild des ebenfalls katholischen „Radio Plus“ auf professionellen Journalismus setzen. Sein anspruchsvolles Programm finanziert „Radio Plus“ mit Reklame – natürlich nicht für Alkohol, Tabak oder Verhütungsmittel. Der Erfolg gab dem katholisch-kommerziellen Radiosender recht: Allein in Warschau stieg die Zahl der Zuhörer innerhalb nur eines Jahres um das Fünffache. Zehn Prozent aller Warschauer hören heute bevorzugt „Radio Plus“. Die „Unbefleckte Empfängnis“ hingegen siecht seit ihrem Start im Jahre 1997 bei 0,4 Prozent dahin. „Das Programm ist sterbenslangweilig“, beschweren sich immer wieder aufgebrachte Katholiken direkt bei den Franziskanern.

„Radio Plus“ wird von derselben Firmengruppe finanziert, die nun auch ins Fernsehgeschäft einsteigen will: KGHM, die größte Kupferhütte Polens, der polnische Öl-Konzern PKN, der polnische Stromversorger PSE, die beiden Versicherungen PZU und PZU-Leben sowie die Computerfirma Prokom. Interessiert sind außerdem zwei noch unbekannte internationale Medienkonzerne.

In Polen ist der Medien- und damit Werbemarkt heiß umkämpft. Allein die Fernsehsender teilen sich eine „Reklametorte“ von rund einer Millarde Dollar jährlich. Da möchte nun auch die katholische Kirche in Polen gern ein Stück abhaben. Denn anders als die beiden christlichen Kirchen in Deutschland treibt sie keine Kirchensteuer ein, sondern ist weitgehend auf die sonntäglichen Kollekten in den Gottesdiensten angewiesen. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren ein bei den Gläubigen wenig beliebtes „Opfersystem“ herausgebildet: Wann immer die Kirche Geld benötigt, schwärmen ihre Priester aus, besuchen die Gläubigen zu Hause und „empfehlen“ aufgrund der Wohnungsgröße und -einrichtung die Höhe des „Opfers“. Immer häufiger bleiben die Priester vor verschlossener Tür stehen. Zwar bringen Taufen, Kommunionen, Hochzeiten und Begräbnisse Geld ein, und auch der Verkauf von geistlichen Büchern, Videos oder Papst-CDs lohnt sich. Seit kurzem bietet der Klerus auch Urlaub im Kloster oder Pilgerreisen nach Frankreich, Israel und die Ukraine an. Doch das große Geschäft erhofft sich die Kirche erst vom Fernsehen.

Natürlich sagt das weder der Primas noch einer der Bischöfe so offen. Sie scheinen im „Familienfernsehen“ lediglich ein modernes Mittel der „Mission“ und „Evangelisierung“ zu sehen. Tatsächlich macht sich die Kirche Sorgen um ihre Schäfchen, die sich, wie im Westen, immer mehr von der Religionsinstitution abwenden. Die Autorität der Kirche in Polen sinkt. Das „Familienfernsehen“ soll nun diejenigen zurück in die Kirche holen, die sonntags nicht mehr in den Gottesdienst gehen. Zugleich ist das neue Programm eine Kampfansage an das ebenfalls katholische „Radio Maryja“. Wenn der Redemptoristen-Pater Tadeusz Rydzyk mit dem Schlachtruf „Halleluja! Und volle Kraft voraus!“ zum Kampf gegen Liberale, Ungläubige, Juden und Kommunisten aufruft, schalten fünf bis sechs Millionen Polen ein – 15 Prozent aller Erwachsenen. Rund um den Kampfsender hat sich die „Familie Maryja“ gegründet, eine Gemeinschaft nationalistischer und antisemitischer Katholiken. Die katholische Kirche in Polen kann „Radio Maryja“, einen Privatsender, nicht verbieten. Also muss sie sich dem Wettbewerb stellen – und beten, dass sich ihre verlorenen Töchter und Söhne vom „Familienfernsehen“ heimführen lassen.

Gabriele Lesser