Es gibt nur einen Hans-Jörg Butt

Nach der verpassten Uefa-Cup-Qualifikation gegen Montpellier muss der Hamburger SV nun hochrechnen, wie viele Millionen Mark ausbleiben werden  ■   Aus Hamburg Oliver Lück

Da vergaßen unglaublicherweise 52.000 Getreue in der ausverkauften neuen Arena ihre hanseatische Seelenruhe

Den Kopf gen Fußboden, die Augen immer noch ganz glasig vor Entsetzen, stapfte Christoph Babatz betreten die niegelnagelneuen Stufen des niegelnagelneuen Hamburger Volksparkstadions hinab. „Mir geht es echt beschissen“, gab der 24-Jährige seine niegelnagelneue Gefühlswelt preis. Im Grunde genommen hatte er nur einen Strafstoß in einem Fußballspiel verbrezelt – ebenso wie seine Kollegen Andrej Panadic und Martin Groth wenige Minuten zuvor, ebenso wie es Woche für Woche in der Bundesliga Alltag ist. Erwägt man jedoch, dass dieser Elfmeter dazu beitrug, seinen Arbeitgeber, den Hamburger SV, aus allen Europapokal-Illusionen zu treten und stattdessen der SC Montpellier das zweite Endpiel des UI-Cups mit 4:1 nach Elfmeterschießen für sich entschied, nun also im Uefa-Pokal gegen Vojvodina Novi Sad, Viking Stavanger oder gar Juventus Turin Ball spielen darf, ist die Enttäuschung begreifbar.

Es war ja auch fast schon tragisch, berücksichtigt man die Begleitumstände, mit denen der HSV konfrontiert war: Da führten die Rothosen nach dem Hinspiel-1:1 bis zur 70. Minute durch einen Kopfball-Wischer von Anthony Yeboah mit 1:0. Obendrein vergaßen 52.000 Getreue in der restlos ausverkauften Arena ihre hanseatische Seelenruhe – was bereits unbegreiflich genug ist –, und eine Hand voll französischer Journalisten – die Fangemeinde des SCM war daheim geblieben – bangte bereits um neue Dienstreisen. Und was passierte? Oliver Sorlin schlenzte das Runde ins Eckige, und dem Hamburger SV blieb die Internationale im Halse stecken.

Mit anderen Worten: Der durch die bisherigen UI-Cup-Spiele angehäufte Penunzenberg von zwei Millionen wird sich in dieser Saison nicht so rapide wie erhofft vermehren. „Durch drei Runden im Uefa-Pokal“, hatte Werner Hackmann, der kommissarische Vereinsvorsitzende, vorsorglich schon einmal den Rechenschieber bemüht, wären „zehn bis fünfzehn Millionen Mark“ möglich gewesen, die nicht im Etat der laufenden Saison vorgesehen waren. Angesichts des Kredits zur Finanzierung des 160 Millionen Mark schweren Stadionneubaus – in dieser Spielzeit muss der Verein insgesamt 7,8 Millionen Mark, in den kommenden Jahren rund jeweils 15 Millionen per annum tilgen – hätte keiner diese Mehreinnahme moniert. Im Gegenteil: Trainer Pagelsdorf hätte ein oder zwei Neuzugängen die Hand schütteln können, was der Profilierung als norddeutsches Pendant zum FC Bayern München weiter zuträglich gewesen wäre.

Dummerweise bleibt somit nur die einleuchtende Erkenntnis des gerade bis in das Jahr 2003 unter Vertrag genommenen Sportchefs Holger Hieronymus, dass „vermutlich die fehlende internationale Cleverness“ verantwortlich gewesen sei. Damit kann der 40-jährige Ex-Profi indes nur die Mannschaft gemeint haben, die sich nach dem Pagelsdorfschen Dreijahresplan erst für das nächste Jahrtausend auf einen europäischen Wettbewerb eingestellt hatte und drei von drei Elfmetern verbummelte – es gibt halt nur einen Hans-Jörg Butt. Oder Hieronymus sprach die ehrlichen Fans der Nordtribüne an, die das archaische Frage-und-Antwort-Spiel „Wer wird Deutscher Meister? Ha-Ha-Ha-HSV!“ anstimmten und darüber wohl einiges verschwitzten.

Die Offiziellen hingegen – so viel war klar – hatten ganze Arbeit geleistet: Nicht nur, dass Werner Hackmann noch eine Stunde vor Anpfiff selbst Hand anlegte und einige Sitzplätze von Holzpfosten befreite, auch die bislang einzige Anzeigentafel wurde ganz einfach abgebaut, um noch mehr Billetts abzusetzen. So wird der Hamburger SV sicherlich in den elitären Kreis des europäischen Spitzenfußballs aufgenommen.

Hamburger SV: Butt - Gravesen, Panadic, Hertzsch - Grammozis, Groth, Kovac (101. Babatz), Cardoso (46. Ernst) - Mahdavikia, Yeboah, Präger (80. Hashemian)

SC Montpellier: Cassard - Silvestre, Fugier, Rodriguez (63. Maoulida), Ferriere - Sorline (86. Serredszum), Barbosa, dos Santos, Mahouve, Delaye - Loko

Zuschauer: 52.000 (ausverkauft), Tore: 1:0 Yeboah (22.), 1:1 (70.) Sorline, 1:2 Silvestre, 1:3 Serredszum, 1:4 Fugier (alle vom Elfmeterpunkt)