Wer durchkommt, wird umgehend abgeschoben

■ Italien ändert seine Flüchtlingspolitik. Die Roma, die am Dienstag vor der Küste Montenegros ertranken, wären, hätten sie Italien erreicht, sofort wieder ausgewiesen worden

„Rifiuti a mare“ überschreibt il manifesto die brutale Nachricht: in etwa: „ins Meer verklappter Müll“. Vor der Küste Montenegros waren die Leichen von 33 Roma aus dem Meer geborgen worden. Bei den Ertrunkenen handele es sich vermutlich um Flüchtlinge aus dem Kosovo, sagte am Dienstag ein Sprecher des Innenministeriums der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro. Um Frauen, Männer und Kinder, die vergeblich versucht hatten, mit einem klapprigen Boot das vermeintlich rettende Italien zu erreichen, bevor sie der Rache heimkehrender Kosovaren zum Opfer fielen.

Die Nachricht war allerdings nur noch il manifesto eine Titelseite wert. Es scheint mittlerweile an der Tagesordnung zu sein, dass Flüchtlinge umkommen, bevor sie die rettenden Häfen erreichen. Allerdings ist auch nicht ganz sicher, wie gut es den „zingari“ in Italien ergangen wäre für den Fall, dass sie das Ufer erreicht hätten.

Nach den neuesten Anordnungen des italienischen Innenministerums sind durchweg alle Ankömmlinge aus dem Kosovo nicht länger als „Kriegsflüchtlinge“ anzusehen, aber auch nicht als Asylsuchende, denn offiziell hat die KFOR ja wieder Recht und Ordnung hergestellt. „Im Klartext“, so il manifesto, „die Leute wären, heil angekommen, bereits am Tag danach wieder zurückexpediert worden – dorthin, von wo sie in heller Angst geflohen waren.“

Kein Zweifel, Italien ändert sein bisher vorbildliches Verhalten in Sachen Zuzüglern aus Krisengebieten. So sehr sich die Regierung in Rom in den letzten Jahren engagiert hatte – es wurden ein reguläres Einwanderungsgesetz geschaffen, Abschiebungen ausgesetzt und rechtzeitig Aufnahmelager für Vertriebene eingerichtet –, so sehr scheint man nun eine immer dichtere Mauer gegen unerwünschte Nicht-EU-Bürger aufzubauen. Dort, wo rechts orientierte Bürgermeister herrschen, wird allenthalben gar ein „Numerus clausus“ erwogen. Nach bereits früheren, unter dem Druck der chauvinistischen Liga Nord vorgenommenen Versuchen in einzelnen Städten der Lombardei und in Mailand prescht nun Bologna vor. Ausgerechnet jene Stadt, die seit Jahrzehnten als das Musterbeispiel der Toleranz gegolten hat. Aber seit vor sechs Wochen ein Mann der Rechten zum Bürgermeister gewählt wurde, weht auch hier ein anderer Wind.

Gerade mal die bereits offiziell angemeldeten etwa 24.000 Nicht-EU-Ausländer will das neue Stadtoberhaupt, Giorgio Guazzaloco, in seiner Stadt dulden. Jeden weiteren Zuzug will er mit aller Macht stoppen, und viele andere Gemeinden wollen seinem Beispiel folgen. Die Roma, die bislang in der Region Bologna unbehelligt geblieben sind, werden davon ebenso etwas zu spüren bekommen wie die zahlreichen ambulanten Händler aus Afrika oder Asien.

Die Regierung in Rom äußert sich zu derlei Maßnahmen bisher lieber nicht. Sie hat in den letzten Monaten herbe Wahlschlappen einstecken müssen, und ein gut Teil davon geht wohl auf die Law-and-order-Kampagnen der Rechten zurück, die sich auf die wachsende Kriminalität und das zunehmende Potential ausländischer Gangstergruppen konzentrierte und die amtierenden Verwaltungen dafür verantwortlich machte.

So wird auch für die Roma, von denen bereits mehrere tausend nach Italien gekommen sind, das Leben immer schwieriger. Wer aufgegriffen wird, hat kaum noch eine Chance, als politischer Flüchtling aufgenommen zu werden. „Das einzige“, so il manifesto in bitterer Ironie, „was wir EU-Länder ihnen garantieren, ist, dass wir sie zur Rückkehr in etwas sicherere Schiffe setzen, so daß sie nicht ertrinken, bevor die Kosovaren über sie herfallen können.“

Werner Raith, Rom