„Durchaus mal vom Titel träumen“

■ Mit dem Branchenkrösus THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt balgen sich ab Sonntag zwei norddeutsche Teams um die Deutsche Handballmeisterschaft

Es geht wieder los. Heute startet die Handball-Bundesliga der Männer in die neue Saison. Handball, das ist jener Sport, der vornehmlich von großen Männern in kleinen Städten und noch kleineren Hallen gespielt wird. Dennoch bewegt der possierliche Provinzspaß große Summen. Knapp 70 Millionen Mark umfasst der Gesamtetat aller 18 Bundesliga-Klubs allein in diesem Jahr. Und die Hochburg der robusten Ballwerfer liegt im Norden des Landes. Bereits seit mehreren Jahren machen die Teams vom THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt die Meisterschaft unter sich aus – ein kurzes Interregnum des TBV Lemgo mal ausgenommen.

Unumstrittener Branchenprimus ist seit geraumer Zeit der THW Kiel, dessen Management den Verein auch gerne als „FC Bayern des Handballs“ präsentiert. Nicht ganz ohne Grund – immerhin schafften es die Athleten aus der Landeshauptstadt, in den vergangenen sechs Jahren schlappe fünf Mal den Titel zu holen. In der vergangenen Saison gesellte sich auch noch der DHB-Pokal hinzu. Nur zum Gewinn der Champions League (wieder eine Parallele zum FC Bayern) langte es nicht, was Manager Uwe Schwenker gehörig wurmt: „Wir werden keine Ruhe geben, bis auch dieser Cup an der Kieler Förde ist“, drohte er unlängst.

Und damit es dieses Jahr auch ganz bestimmt mit dem Triple klappt, haben die Kieler kräftig investiert. Mit dem 27jährigen norwegischen Nationalkeeper Steinar Ege, der vom Vfl Gummersbach kam, und dem 28jährigen schwedischen Weltmeister und Rückraumspieler Stefan Lövgren erwarb der THW zwei Akteure, denen in Expertenzirkeln durchaus zugetraut wird, einen gepflegteren Ball zu werfen. Kein Wunder also, daß der Titelverteidiger trotz der Ausfälle von Linksaußen Nikolaj Jacobsen (Nabelbruch), Rechtsaußen Michael Menzel (Knorpelschaden im Knie) und Wolfgang Schwenke (Muskelfaserriss) bereits vor der Auftaktbegegnung am Sonntag gegen Nettelstedt (Anpfiff 16 Uhr) als Top-Favorit gehandelt wird.

Hartnäckigstes Ärgernis dürften für die Kieler auch dieses Jahr wieder die Handballer von der SG Flensburg-Handewitt sein. Jener Club, dessen größte Meriten allzuoft mit dem wenig erquicklichen Zusatz „Vize“ versehen sind (Vize-Pokalsieger '92 und '94, Vize Meister '96, '97 und '99), möchte endlich einmal vor dem THW stehen: „Nach der Vize-Meisterschaft darf man durchaus mal vom Titel träumen“, formuliert Manager Manfred Werner das große Ziel betont zaghaft. Der Unterstützung ihres passionierten Anhangs dürfen sich die Flensburger jedenfalls sicher sein, denn der Club hat sich in den vergangenen Jahren zu einer echten deutsch-dänischen Institution entwickelt. Vom Management bewusst gewollt spielen fünf dänische Nationalspieler in Flensburg, und auch SG-Coach Erik Veje Rasmussen stammt aus dem nördlichen Nachbarland.Logische Konsequenz: In der Fördestadt genießen die Ausländer selbst bei einem eher konservativ geprägtem Publikum Heimrecht, schließlich gehört fast jeder vierte Flensburger der dänischen Minderheit an.

So verwundert es nicht weiter, daß in der lokalen Fördehalle der Danebrog (vulgo: dänische Nationalflagge) kein seltener Anblick ist. Und schon weit bevor so manch ein ungeliebter deutscher Spartensender den Handball aus dem Norden für sich entdeckt hatte, flimmerten die Spiele der SG live übers dänische TV. Wirtschaftlich geben sich die Flensburger mit einem Jahresetat von 3,8 Millionen Mark wesentlich bescheidener als der große Konkurrent aus Kiel. Auch in puncto Neuverpflichtungen blieb die SG sparsam. Mit Nationalspieler Christian Berge vom norwegischen Verein Viking Stavanger kam nur ein Neuling hinzu.

Für Handball-Bundestrainer Heiner Brand kein Problem. Er sieht die SG vor deren Auftakt am Sonntag bei der SG Bad Schwartau/Lübeck (Anpfiff 16 Uhr) als Meisterschaftsfavoriten. Kein Grund zur Freude in Flensburg. Schließlich hatte Brand schon im Vorjahr auf die Grenzstädter gesetzt. Matthias Anbuhl