Themenläden und andere Clubs
: Milchkaffee, Cocktails und ähnliche Schweinereien

■ Altmodische Barflies sind vom Aussterben bedroht. Sie werden verdrängt von schnellen Partyhasen und modernen Nachtschwärmern. Unverbesserliche Einsame wird es aber immer geben. Nie haben sie Glück. Die Frauen, auf die sie am Tresen warten, sind schon im Bett

Jede Zeit hat ihre Gäste. Der ganz frühe Abend gehört den Nach-der-Arbeit-Trinkern, müden Menschen beiderlei Geschlechts, die zu zweit oder mehreren nach ihrem langen, anstrengenden Tag als Screen-Designer/Gärtner/Fernsehfuzzi/Verkäufer einen heben und über den Job lästern wollen. Sie haben auf dem Weg nach Hause nur kurz an der Bar gestoppt und gehen nach einem Getränk ihrer Wege.

Gegen acht Uhr kommen die Verabredeten, die entweder essen oder ins Kino/Theater etc. wollen, und sofort überstürzt aufbrechen, weil der andere immer zu spät ist und die Zeit knapp wird. Den ganzen Abend hindurch schlendern immer mal wieder Freunde der Thekenkräfte vorbei, man unterhält sich und setzt sich dabei nicht hin.

Die altmodischen Barflies kommen zwischen neun und elf, manchmal allein, manche treffen sich zum Trinken, sie haben Sitzfleisch und Leberkapazität genug für ein Ausharren bis zum Feierabend. Ab zwölf kommen die Zug-durch-die-Gemeinde-Partyhasen, werfen einen schnellen Blick in die Bar – Wer ist alles da? Lohnt sich ein Drink? – und morphen entweder zu thekenklebenden Barflies oder sind schon wieder weg.

Ab zwei, drei Uhr in der Woche und vier Uhr am Wochenende kommen dann die unverbesserlichen Einsamen, größtenteils angeschlagene Männer, die immer noch glauben, um fünf Uhr morgens sitze die interessanteste, heißeste und willigste Frau allein in einer Kneipe und warte auf jemanden, der sie mitnehmen will. Ich weiß das alles, denn ich war jahrelang Thekenkraft.

Am liebsten waren mir persönlich die altmodischen Barflies, sofern sie als Kleingruppe auftraten: Erstens sind sie oft guter Laune und zweitens trinken sie meistens höchstens Zwei-Komponenten-Drinks (alles zwischen Bier und Gin-Tonic. Milchkaffee, Cocktails und ähnliche Schweinereien werden selbstverständlich nicht bestellt). Diese Gruppe wird im Zuge des Event-Booms immer kleiner, die Kneipe an sich ist ohne DJ oder mindestens eine klitzekleine Dia-Show in irgendeiner Ecke unattraktiv geworden für moderne Nachtlebenschnorrer. Die Barflies verändern sich. Sie heißen jetzt Partypeople und Nachtschwärmer oder etwas ähnlich Penetrantes.

So genau kenne ich diese neue Gruppe nicht als Thekenkraft, denn ich habe aufgehört, für andere Leute Zwei-Komponenten-Drinks zu mischen, bevor der Event-Boom anfing, und bin jetzt selber nur noch Barfly. Ich bin aber sicher, dass die meisten von denen Mediendesign oder verwandte Fächer studieren. Unverbesserliche Einsame wird es dagegen immer geben.

Man sieht sie in allen Kneipen, auf allen Partys in allen Städten und Ländern herumsitzen und hoffen. Das sind auch diejenigen, die versuchen, mit der Thekenkraft zu flirten, wenn sie realisiert haben, dass sie das einzig weibliche Wesen in der Gegend ist. Die Einsamen sind teilweise sogar bereit, das größte Hindernis beim Mit-der-Tresenfrau-Anbändeln zu überstehen: Wer will schon warten, bis alle Aschenbecher gespült sind? Die Einsamen. Aber die Einsamen haben kein Glück. Denn alle interessanten, heißen, willigen Frauen sind schon im Bett, und wenn doch mal eine kurz in die Kneipe guckt, um sich einen Absacker abzuholen, dann denkt sie: Da sitzt ein einsamer, angeschlagener Verrückter mit Dackelblick, ich glaub, ich gehe doch lieber allein ins Bett.

DieThekenkräfte selbst haben sich übrigens früher auch in bestimmten Kneipen getroffen und dort Einsame gespielt, natürlich nur wenn keiner warten wollte, bis alle Aschenbecher gespült waren. Man musste nur wissen, was am längsten aufhatte. Ich glaube, die Thekenkräfte der Event-Clubs heutzutage machen das auch noch, nur weiß ich nicht mehr, wo sie sich treffen.

Jenni Zylka