Kommentar
: Auf dem rechten Weg

■ Die CDU räumt die Neue Mitte

Aus den Biedermännern werden verbale Brandstifter. Mit der Verteidigung der Kampagne „Deutschland muss in Kreuzberg wieder erkennbar sein“ hat sich die CDU-Spitze auf ein Argumentationsmuster eingelassen, mit dem sie von rechtsradikalen Parteien kaum noch zu unterscheiden ist.

Die Junge Union Kreuzberg weiß sehr wohl, was sie mit ihrer Kampagne bewirkt: „Provozierend und polarisierend“ wolle man sein, hat der Kreisvorsitzende Scott Körber erklärt. Gleich zweifach ist diese Polarisierung gelungen: Zum einen polarisiert die Junge Union zwischen Deutschen und sogenannten Ausländern, die von der JU offenbar selbst als solche angesehen werden, wenn sie seit Jahrzehnten im Besitz eines deutschen Passes sind. Mit kollektiven Schuldzuweisungen entlang ethnischer Zuschreibungen wird die türkischstämmige Bevölkerung Kreuzbergs für soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht.

Zum Zweiten aber polarisiert die Aktion die Partei zwischen links und rechts. Dass der Landesvorsitzende Eberhard Diepgen sich dabei für die rechten Sprüche des Kreuzberger Nachwuchses ins Zeug legt, lässt darauf schließen, dass sich die CDU auf dem rechten Weg befindet. Wie sonst wäre das beredte Schweigen oder sogar die Unterstützung der CDU-Spitze zum Propagandafeldzug auf Kosten der Kreuzberger Bevölkerung zu erklären? Im Vorfeld der Abgeordnetenhaus wollen die Christdemokraten offenbar die Erfolgsstrategie der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft imitieren, die entscheidend zum Wahlsieg der CDU in Hessen beigetragen hat.

Setzt die CDU diesen Kurs fort, könnte sie sich als rechte Partei neuen Typs entpuppen: eine Partei, die auf die gleichen Argumentationsmuster setzt wie rechtsextreme Splitterparteien, dabei aber wegen ihrer parlamentarischen Mehrheit für die betreffende Klientel attraktiver ist. Die Kehrseite: Im gleichen Maß macht sich die CDU vom rassistischen Pöbel an den Stammtischen abhängig.

Die Zeiten, in denen sich ein Eberhard Diepgen noch als liberaler Vermittler in der Partei profilieren wollte, scheinen jedenfalls vorbei zu sein.

Andreas Spannbauer