Nazis schrecken Investoren ab

■ Reeducation in Brandenburg. Auf Veranstaltungen reden Manager den Bürgern ins Gewissen: Ohne Toleranz keine Jobs

„Wenn wir das Problem der Fremdenfeindlichkeit nicht in den Griff bekommen, werden mögliche ausländische Investoren nicht nach Brandenburg kommen.“ Mit bedrückten Gesichtern lauschen rund 50 Wittenberger Bürger den Worten von Bernd Schenke. Der Sprecher der Industrie- und Handelskammer Potsdam sagt, die Kammervertreter würden von auswärtigen Partnern immer wieder gefragt, wie es denn um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter in Brandenburg bestellt sei.

Die lokale Prominenz von Wittenberge, einer Kleinstadt im Nordwesten Brandenburgs, hat sich schick gemacht. Kein Wunder, denn heute steht im Freizeitpark Wittenberge, einem jener typischen Fitness-Center etwas außerhalb, eine wichtige Veranstaltung auf dem Programm. „Standort Brandenburg: Gefahr im Verzug ...?“ Mit dem Event will das Brandenburger Landesbüro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) über Auswirkungen von Fremdenfeindlichkeit auf die Wirtschaft informieren. Das scheint nötig zu sein, 30 Prozent der Brandenburger Jugendlichen haben eine rechte Einstellung, so haben Untersuchungen ergeben.

Andreas Schön, der Chef des Fremdenverkehrsvereins Wittenberge, redet seinen Mitbürgern ins Gewissen: „Gefahr ist nicht im Verzuge, sie ist schon längst da.“ Der Tourismus sei gefährdet, meint Schön. „Wer Fremde ablehnt – wie soll der Touristen anlocken?“ Die meisten im Saal nicken zustimmend und verspeisen die belegten Brötchen, die die FES spendiert hat.

Hasso Lieber, Abteilungsleiter im Potsdamer Innenministerium, sorgt für eine dramaturgische Steigerung. Ihm seien ein finnisches und ein amerikanisches Unternehmen bekannt, die sich wegen des ausländerfeindlichen Klimas gegen den Standort Brandenburg entschieden haben. „Wie viele Arbeitsplätze“, fragt Lieber, „sind uns so verloren gegangen?“ Wer wisse eigentlich, dass ausländische Unternehmen mehr als 100.000 Jobs in Brandenburg geschaffen hätten?

„Denen geht es doch nur um ihren Profit“, mault ein kurzhaariger Mann aus dem Publikum. „Ob hier ein paar Ausländer aufgeklatscht werden, ist doch diesen Kapitalisten egal.“ Außerdem hätten die alle hier nichts zu suchen. Der Mann erntet missmutige Blicke im Saal.

Veranstaltungsorganisator Meinhard Gärtner ist zufrieden, auch wenn der Rechte nicht zu überzeugen war. Mit den Veranstaltungen – die FES führt mehrere dieser Art in ganz Brandenburg durch – wolle man langfristig ein Problembewusstsein schaffen. Zwar könne niemand die Schäden durch wegbleibende Investoren quantifizieren, solche Erhebungen seien viel zu kompliziert, aber das schlechte Image Brandenburgs habe schon zu wirtschaftlichen Einbußen geführt, insbesondere im Tourismus. Gärtner sagt: „Man muss den Brandenburgern den Ernst der Lage bewusst machen.“ Richard Rother