Köln ist Vertrauenssache

■  Klaus Heugel, SPD, will Oberbürgermeister werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen dubioser Aktienkäufe

Köln (taz) – Politisch ist der Kandidat nicht mehr viel wert. Trotzdem kann die Kölner SPD ihn nicht fallen lassen. Klaus Heugel, in den vergangenen Tagen bekannt geworden wegen Aktien-Insider-Geschäften, bleibt Kandidat für die Oberbürgermeisterwahlen. Ausgetauscht werden kann er nicht mehr, dafür sind die Fristen abgelaufen. Am 12. September werden in Nordrhein-Westfalen die Oberbürgermeister direkt gewählt. Und in Köln steht die SPD dumm da.

Lokalzeitungen spekulieren bereits, ob Franz Müntefering als Chef der NRW-SPD seine Kölner Genossen nicht lieber dazu bringen soll, ihren OB-Kandidaten fallen zu lassen und eine Wahlaussage zugunsten der Grünen zu treffen. Das hätte die grüne OB-Kandidatin Anne Lütkes zwar sehr gerne, aber eine Koalition mit der SPD will sie sich nicht aufzwingen lassen.

Seit 40 Jahren regiert die SPD in Köln. Schwer nur können die Genossen sich an den Gedanken gewöhnen, dass ihr Ende naht. SPD-Landeschef Franz Müntefering versuchte gestern den Scherbenhaufen kleinzureden. Im Rundfunk sagte er, Heugel habe einen Fehler gemacht. Er habe aber alles zugegeben und den Fehler repariert, indem er die Gewinne aus dem Aktiengeschäft einer gemeinnützigen Einrichtung gespendet habe.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen Heugel. Seit 1997 führten die Kölner Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke AG (GEW) Verhandlungen über den Verkauf ihres 25,1-prozentigen Anteils am Kölner Traditionsunternehmen Felten & Guilleaume (F & G). Heugel, Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke, zu denen die GEW gehört, kaufte während der Verhandlungen mit dem ersten Kaufinteressenten 300 F&G-Aktien und später noch einmal so viele. Als der Verkauf im August 1998 bekannt gegeben wurde, hatten die Aktien ihren Kurs seit 1997 verdoppelt. Aus dem Verkauf der ersten 300 Aktien konnte der Oberstadtdirektor 45.000 Mark und später noch einmal 14.500 Mark einstreichen.

Heugel will sich bei alledem nichts gedacht haben. Er habe beim Aktienkauf „nicht geschaltet und nicht erkannt, dass dies Insiderhandeln sein könnte“, sagt er. Den Verkaufsgewinn aus dem Jahre 1998 von knapp 15.000 Mark wolle er einer Jugendeinrichtung spenden.

Als OB-Kandidat aufgeben will er nicht: „Ich arbeite seit 25 Jahren für diese Stadt, und genau das gibt mir die Kraft und das Recht, für das Amt zu bewerben.“ Der blasse Kandidat, der mit dem Motto „Köln ist mein Beruf“ seinen Wahlkampf bestreitet, hatte sich während zweier Jahrzehnte im stillen als Geschäftsführer und Vorsitzender der Kölner Ratsfraktion hochgedient. Er gilt als Strippenzieher und graue Eminenz und ließ sich durch ein Landtagsmandat versorgen. Die SPD hievte ihn 1998 in die Position als Oberstadtdirektor, damit er für die OB-Wahl ein bisschen an Profil gewönne. Doch bei einer Umfrage vor ein paar Monaten stellte sich heraus, dass nicht einmal die Hälfte der Kölner seinen Namen kannte. Erst durch seine Insider-Affäre hat er erreicht, was er vorher nie geschafft hat: Jede und jeder in Köln kennt ihn.

Die heutige Sitzung des Kölner Rates wird sogar im Fernsehen übertragen. Die Anfragen der Grünen, der CDU und der parteilosen OB-Kandidatin der PDS zielen auf die mit dem Verkauf des F&G-Pakets verbundenen Grundstücksgeschäfte. CDU und Grüne wollen mit Hilfe eines Dringlichkeitsantrags einen Bebauungsplan für das F&G-Gelände durchsetzen, um die drohende Spekulation zu verhindern. Außerdem fordern CDU und Grüne ein Disziplinarverfahren gegen Heugel und seine Beurlaubung als Oberstadtdirektor.

Noch verlangen die beiden Fraktionen aber nicht, Heugel als Oberstadtdirektor abzuwählen. Wer immer diesmal in Köln nach vier Jahrzehnten Genossenarroganz zum OB gewählt oder geklüngelt wird – ruhig wird es nach dem 12. September nicht werden.

Werner Rügemer