■ Ein Ex-Putschist entmachtet in Venezuela den Staat
: Ein bisschen Hoffnung bleibt

Am liebsten wäre Hugo Chávez eine Kreuzung aus Juan Domingo Perón und Fidel Castro. Mit dem einen verbindet ihn die Liebe zum maßgeschneiderten Anzug und zur wasserstoffblonden Frau. Mit dem anderen der Hang zu viel zu vielen und viel zu langen Reden. Wie Perón und Castro schätzt er das Militär und würde am liebsten ewig regieren, ohne Kontrollen durch Parlament oder Gerichte.

In dieser Woche hat Chávez diese Kontrollen aus dem Weg geräumt. Die von seinen Anhängern dominierte Verfassungsgebende Versammlung hat mit staatsrechtlich fragwürdigen Dekreten die Arbeit des Parlaments auf bürokratische Tätigkeiten beschränkt und den Richtern ein Kontrollgremium vor die Nase gesetzt. Das Verfassungsgericht löste sich selbst auf, das Parlament hat sich schon vor Wochen in den Urlaub verabschiedet, und niemand weiß, ob es jemals wieder zurück kommt. 1992 hatte der damalige Fallschirmspringer-Oberst Chávez genau das mit Gewalt versucht – und war gescheitert. Diesmal hatte er es gar nicht nötig, Panzer auffahren zu lassen. Hugo Chávez wurde ein Putsch geschenkt.

Aber Venezuela ist nicht das Argentinien der Vierziger und auch nicht das Kuba der Sechziger. Chávez hat keine Reserven für Sozialprogramme, wie sie Perón im boomenden Argentinien der Kriegs- und Nachkriegszeit hatte. Und er hat auch nicht, wie Castro, eine Militärdiktatur gestürzt und einen bösen großen Bruder vor der Haustür. Venezuela ist ein heruntergewirtschaftetes Land in der Krise und Chávez nur ein begnadeter Schwätzer. Wie lange braucht das Volk, um das zu merken?

Die wenigen Opositionellen, die blieben, geben ihm zwei Jahre. Es könnte auch schneller gehen. Bereits nach einem halben Jahr Chávez ist die Wirtschaft um zehn Prozent geschrumpft, 400.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Wenn das so weitergeht, wird das Volk bald nicht mehr für, sondern gegen Chávez aufstehen.

Ruft er dann nach den Panzern, die er bei seinem kalten Staatsstreich nicht brauchte? Es ist ihm sicher zuzutrauen. Doch es ist fraglich, ob die Panzer auch kommen. Ein Teil des Generalstabs ist sauer, weil Chávez seine Putschgefährten von 1992 ohne Rücksprache wieder in Amt und Würden setzte. Der Oberst im Ruhestand kann sich auf seine Armee nicht so verlassen, wie es Perón in seinen ersten Jahren konnte oder wie es Castro noch immer kann. Lediglich dieser Unterschied gibt ein bisschen Hoffnung für Venezuela. Toni Keppeler