Frankreich beschenkt seine Bürger

Wegen höherer Einnahmen des Staates will die Regierung unter anderem Abgaben beim Kauf von Wohnungen und die Mehrwertsteuer verringern  ■   Von Dorothea Hahn

Paris (taz) – Wohin mit dem Geld? Diese Frage beschäftigte die französische Öffentlichkeit, seit bekannt wurde, dass der Fiskus allein im ersten Halbjahr 1999 fast 60 Milliarden Franc (etwa 18 Milliarden Mark) mehr eingenommen hat als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Gestern entschied die Regierung in ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause eine Maßnahme, die voraussichtlich die Gemüter beruhigen wird: Steuersenkungen.

Ein Teil davon tritt sofort in Kraft, ein anderer kurz vor den Präsidentschaftswahlen, bei denen voraussichtlich der sozialistische Premierminister Lionel Jospin als Herausforderer ins Rennen ziehen wird. Bereits ab Mitte September soll die Mehrwertsteuer für die Renovierung von Wohnraum von 20,6 Prozent auf 5,5 Prozent gesenkt werden. Zugleich sollen die Notargebühren beim Immobilienkauf von 6 auf 4,8 Prozent sowie die Mehrwertsteuer für Haushaltshilfen und die private Alten- und Kinderversorgung von 20,6 auf 5,5 Prozent sinken. Die daraus resultierenden 23 Milliarden Franc (knapp sieben Milliarden DM) werden in erster Linie den privaten Haushalten, an zweiter Stelle vor allem Handwerksunternehmen zugute kommen.

Der zweite Teil des Pakets soll im Jahr 2001 in Kraft treten. In Form einer Einkommenssteuersenkung und einer Senkung der Gemeindesteuer. Den verbleibenden „Rest“ seiner Einnahmen will Finanzminister Dominique Strauss-Kahn unter anderem für die staatliche Entschuldung und zur Finanzierung des Kosovo-Krieges verwenden.

Die grüne Umweltministerin und die drei kommunistischen MinisterInnen, die sich gestern nicht durchsetzen konnten, wollten die „sozialen Minima“ für Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen erhöhen. Transportminister Gayssot hatte erklärt, er gäbe „Leute, die mehr Steuern zahlen können“. Unter anderem schlug er vor, große Vermögen und spekulative Gewinne stärker zu besteuern.

Zustande gekommen waren die Mehreinnahmen des französischen Fiskus einerseits durch die unter Jospin eingeführte entschieden höhere Besteuerung kinderreicher Familien sowie durch das Wirtschaftswachstum, das mit erwarteten 2,5 bis drei Prozent in diesem Jahr weit über dem deutschen (rund 1,6 bis 1,7 Prozent) liegt.

Allerdings war das Wachstum höchst ungleich verteilt: Während die angeblich notleidenden französischen Unternehmen im ersten Halbjahr 1999 gute Geschäfte machten, stieg gleichzeitig der Anteil der zu Minimallöhnen Beschäftigten um mehrere hunderttausend an.