■ Die taz-Serie zum Atomkonsens
: Täglich ein guter Grund für den Ausstieg

Das baldige Ende der Atomenergie wird ein Paradethema der neuen Bundesregierung. Dachten wohl die meisten Wählerinnen nach der Wahl letzten Herbst. 16 Jahre hatte die Kohl-Regierung die wackeren grünen Umweltminister in den Ländern mit Anweisungen gestoppt und so das Weiterleben der Atomindustrie in Deutschland gesichert. Nun also endlich die Wende, raus mit den alten Turnschuhen, weg mit den AKW?

Dass aus dem Ausstieg erstmal nichts wird, ist inzwischen klar. Die Bundesregierung blockiert sich in der Öffentlichkeit selbst, die Stromkonzerne und Siemens arbeiten ruhig weiter. Die Misere liegt aber wohl noch etwas tiefer: Durch all das Gerangel um 30 oder 40 Jahre Restlaufzeiten, um Schadensersatz ja oder nein und andere rechtliche Finessen ermüdete das Interesse am Thema.

Das ist ein Segen für die von vielen schon abgeschriebene Energieform. Mit dem Ausstieg aus der Atomkraft werden so keine Wahlen mehr gewonnen, höchstens noch verloren – vor allem aus Sicht der Bündnisgrünen, die bei einem ihrer ureigensten Themen grandios scheitern. Und die ganze Zeit läuft die Propagandamaschine der Atomlobby. Wie Engelchen und Teufelchen schweben sie über Politikern und Journalisten, die Einflüsterer aus der Atomindustrie: „Sind doch so sicher und so sauber, unsere AKW“, „Der Ausstieg vernichtet Arbeitsplätze“, „Ausstieg ist teuer“ „AKW retten die Erde vor der Klimakatastrophe“ und so weiter und so fort.

Die vielen Schattenseiten dieser Branche werden in letzter Zeit erfolgreich hinter potemkinschen Wänden aus Schadensersatz und Wirtschaftlichkeit verborgen. Mit unserer Serie „Täglich ein guter Grund für den Ausstieg“ wollen wir die Fakten noch einmal vorstellen: die angebliche Wirtschaftlichkeit, die neuen Strahlenschutzgremien, der Stand bei der Entsorgung, warum so viele Länder mit Atommeilern auch Atomraketen haben und wie die Computer der Reaktoren wohl die Umstellung zum Jahr 2000 verkraften. Was sagen die Leute, die das Uran liefern müssen, und wie packen andere Länder den Ausstieg an.

Prominente werden sich dazu äußern, ob sie einen Castor blockieren würden. Erklärt wird, warum sich der Leichtwasserreaktor weltweit durchgesetzt hat oder was bitte schön die sündhaft teure Pilotkonditionierungsanlage im Wendland ist. Und natürlich werden auch die Diskussionen um die künftige Strategie der Antiatombewegung nicht zu kurz kommen.

Ab heute jeden Tag mindestens ein Artikel und das bis Ende September. Dann haben sich laut Auftrag des Bundeskabinetts die beiden Minsterien Umwelt/Reaktorsicherheit und Wirtschaft auf einen gemeinsamen Kurs geeinigt. Danach beginnen irgendwann die Verhandlungen mit den Stromkonzernen um einen billigen Ausstieg. taz-LeserInnen dürften dann wissen, was der Kanzler und die Vorstandchefs nicht erzählen auf ihren Pressekonferenzen. Reiner Metzger