Völker, hört die Statistiken

Der Durchschnitts-Othmarscher lebt viermal besser als die St. Paulianerin  ■ Von Heike Dierbach

Selten sind die Daten einer Statistik so gut veranschaulicht: Othmarschen, Nienstedten und Blankenese sind die reichsten Hamburger Stadtteile, St. Pauli, Veddel und Dulsberg die ärmsten. Das beweist entweder ein Besuch dort – oder die jüngste Einkommensstatistik des Statistischen Landesamtes.

Sie erfasst jene rund 600.000 HamburgerInnen, die Arbeit haben und Steuern zahlen. JedeR von ihnen verdiente 1995 65.600 Mark brutto – durchschnittlich. In der Realität verdienten viele viel weniger und einige entsprechend mehr: Etwa die OthmarscherInnen, die mit rund 159.000 Mark den zweieinhalbfachen Durchschnitt erhielten, gefolgt von Nienstedten (141.000 Mark) und Blankenese (137.000 Mark). Auf der anderen Seite erreichte die St.Paulianerin nur 63 Prozent des Durchschnittes (41.600 Mark), ebenso wie die Veddelerin (42.000 Mark) und der Dulsberger (42.500 Mark). Nimmt man also den schnöden Mammon zum Maßstab, dann lebt der Othmarscher viermal so gut wie die St.Paulianerin – SozialhilfeempfängerInnen noch nicht mitgerechnet.

Die Dicke des Geldbeutels korrespondiert in Hamburg haargenau mit dem Ort des Kreuzchens auf dem Wahlzettel zur Bürgerschaftswahl 1997: Die SPD hatte damals ihr schlechtestes Ergebnis in einem Wahlbezirk in Othmarschen (11,2 Prozent), die CDU in St. Pauli (7,1 Prozent) – wo die PDS und die Anarchistische Pogo-Partei ihr bestes Ergebnis (7,7/9,2 Prozent) erzielten und die GAL ihr zweitbestes einfuhr (46,2 Prozent).

Aufschlussreich sind auch die Antworten des Landesamtes auf die Frage, welche Gruppe wieviel vom Einkommenskuchen abbekommt: Über die Hälfte der verdienenden Bevölkerung teilt sich weniger als ein Fünftel des Gesamteinkommens. 1986 hatte diese Gruppe (unter 50.000 Mark Jahreseinkommen) noch fast doppelt so viel erhalten (37 Prozent). Das größte Kuchenstück (28 Prozent) landete wie schon in vorigen Erhebungszeiträumen auf den Tellern der 13-Prozent-kleinen Gruppe der Besserverdienenden (100.000 bis 250.000 Mark).

Ganz findig wird es schließlich in der Gruppe der Reichen (über 250.000 Mark). Zu ihr gehören zwar steuerrechtlich immer weniger Menschen – was aber nicht heißt, dass es wirklich weniger Reiche gäbe. Vielmehr, so die StatistikerInnen, „spricht einiges dafür, dass hier in erheblich grösserem Umfang als im vorigen Berichtsjahr legale Wege der Steuervermeidung genutzt wurden“.

Auch der Frage, wie man richtig reich wird, widmet sich die Statistik: Durch Lohnarbeit nicht. Über zwei Drittel der 901 Hamburger EinkommensmillionärInnen beziehen ihr Geld aus Gewerbebetrieben oder Kapitalvermögen – weswegen wohl auch das für derartige Statistiken verantwortliche Wirtschafts-system danach benannt ist.