Kameras im Sylter Sumpf

■ Sylt macht mit beim Modellversuch: Polizei überwacht mit Kamera Fußgängerzone

Was waren das für Zeiten, als vornehmlich Bremer und Hamburger Punks mit dem Wochenendticket nach Sylt düsten, dort an Strandkörben zündelten, auf die Bürgersteige kotzten und gebügelte Urlauber angingen: „Ey, hasse mal ne Mark für mich?“ Das Wochenendticket ist nicht mehr. Die Punks sind älter geworden. Nur die polizeiliche Überwachungskamera in der Fußgängerzone ist die alte geblieben. Die Kamera hat Sylt zu zweifelhaftem Ruhm verholfen. Neben Leipzig ist Sylt nämlich seit 1996 an einem Projekt beteiligt, das jetzt in Hessen und Baden-Würtemberg zu voller Blüte gelangt: „community policeing“. Hinter dem unaussprechlichen Namen verbirgt sich keine neue Sportart sondern das flächendeckende Filmen von Personen auf öffentlichen Plätzen zwecks polizeilicher Überwachung. „Unsere Fußgängerzone entwickelte sich vor einigen Jahren zu einem Treffpunkt von Trinkern, Drogenkonsumenten und zugereisten Punks. Aus diesen Ansammlungen heraus wurden viele Straftaten begangen“, beschreibt Hauptkommissar Carsten Nissen das Inseldrama.

In einem gemeinsamen Sicherheitsrat von Gemeindevertretern, Vermietern, Geschäftsleuten und Polizei wurde daraufhin 1996 beschlossen, die Fußgängerzone kameramäßig überwachen zu lassen. „Wir haben zunächst aus polizeilichen Mitteln eine Kamera installiert und den Monitor in die Polizeiwache gestellt. So hatten wir den Tatort immer im Blick“, erklärt Nissen. Später übernahm die Inselgemeinde die laufenden Kosten, die Kamera wurde fest installiert.

Probleme mit dem Datenschutz bekamen die Sylter nicht. Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte segnete das Unternehmen ab. Denn: „Wir dürfen keine Daten speichern. Wir dürfen nur live das Geschehen übertragen“, erklärt Kommissar Nissen. Zusätzlich ließ die Polizei Schilder an der Fußgängerzone aufstellen, die dem müßig lustwandelnden Urlauber erklärten, dass er sich im Bereich polizeilicher Überwachungsmaßnahmen befände. „Ich glaube, diese Abschreckung hat was gebracht“, ist der Polizist überzeugt.

So hat die Kamera die ganze Saison Bilder aus der Sylter Fußgängerpassage ins Polizeirevier übertragen. Jetzt und über den Winter ist sie abgeschaltet. „Aber wir können sie natürlich jederzeit wieder einschalten“, droht Nissen. Ob dies tatsächlich notwendig sein wird, bezweifelt selbst der Fernsehfahnder. Denn die Punks strafen die schnieke Insel mit Abwesenheit. Ob die Ursache in der polizeilichen Abschreckung liegt oder eher den veränderten Bedingungen des Wochenendtickets zuzuschreiben ist, kann auch Polizist Nissen nicht aufklären. Der sylt-eigene Sumpf jedenfalls hat sich in den Stadtpark verzogen. Aber dort, so verspricht Carsten Nissen, sollen keine Kameras aufgestellt werden.

Thomas Schumacher