Flughafen: Neuausschreibung immer wahrscheinlicher

■ Nach Hochtief ist nun auch das zweite Konsortium ins Visier geraten. IVG soll versucht haben, mit unzulässigen Mitteln den Zuschlag für die Flughafen-Privatisierung zu erhalten

Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück. Im Gerangel um den Großflughafen wird eine Neuausschreibung des gesamten Privatisierungsverfahrens immer wahrscheinlicher. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen schloss dies gestern in einem Radiointerview explizit nicht mehr aus. Sollte sich der Verdacht auf mögliche Verquickungen zwischen Planern und Bietern erhärten, sei eine Neuausschreibung möglich, so Diepgen, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Berlin Brandenburg Flughafenholding (BBF) ist.

Solche Verdachtsmomente gibt es genug. Zum einen sind da die neuen Vorwürfe gegen das Bieterkonsortium um den Essener Baukonzern Hochtief, der ursprünglich den Zuschlag zur BBF-Privatisierung erhalten hatte, was vom Brandenburger Oberlandesgericht untersagt wurde. Zwischen einer Beraterfirma von Hochtief und der Ingenieurberatungsgesellschaft WIB, die an den Flughafenplanungen beteiligt war, soll es personelle Verflechtungen gegeben haben. Jüngst waren bei Hochtief-Hausdurchsuchungen Akten des Konkurrenzkonsortiums um die IVG gefunden worden.

Zum anderen ist nun auch das zunächst unterlegene Konsortium um die IVG in Verdacht geraten, unzulässige Kontakte zur BBF-Planungstochter PPS unterhalten zu haben. Dies prüft bereits die Berliner Staatsanwaltschaft, berichtet der Spiegel. Der Anwalt des WIB-Geschäftsführers Herbert Märtin, gegen den wegen verbotener Kontakte zu Hochtief ermittelt wird, erhebt in einem Schreiben an die Berliner Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe gegen die IVG. 1997 habe die IVG Märtin angeboten, die WIB „in die Projektgesellschaft des IVG-Konsortiums einzubinden“. Darüber hinaus habe der Geschäftsführer einer IVG-Beraterfrima Märtin kurz vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung im September 1998 persönlich angerufen, um die Chancen der IVG auszuloten.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, würden die Flughafengesellschafter – der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg – kaum noch um eine Neuausschreibung des Verfahrens herumkommen. Auch nach dem Brandenburger Urteil, das neue Verhandlungen über das Sechs-Milliarden-Projekt anmahnte, hatte die BBF bisher darauf verzichtet. Stattdessen sollten die Gespräche mit den beiden bisherigen Bietern fortgesetzt werden.

Diepgen versucht nun, die beiden Konsortien unter Druck zu setzen. Die Bieter müssten für eine lückenlose Aufklärung aller Verdächtigungen sorgen, so Diepgen. „Wenn zusätzlich neue Fakten bekannt werden, kann auch eine Neuausschreibung nicht ausgeschlossen werden“, so Diepgen.

Ein Sprecher des SPD-Spitzenkandidaten Walter Momper wollte dies so nicht unterstützen. „Weitere Zeitverzögerungen des wichtigsten Infrastrukturprojektes für die Region müssen ausgeschlossen werden“, sagte er gestern der taz. Die Zeit drängt: Ende Dezember läuft das Gesetz aus, das eine beschleunigte Planung von Verkehrsprojekten in Ostdeutschland erlaubt. Zwar sind das Privatisierungs- und das Genehmigungsverfahren zwei unterschiedliche Angelegenheiten. Sollte die BBF dennoch das Planfesstellungsverfahren wie geplant auf Basis der PPS-Pläne in Gang setzen, droht neues Ungemach. Da die IVG – anders als Hochtief – auf Grundlage der PPS-Vorschläge geplant hat, wäre dies eine Vorentscheidung für die IVG und damit gerichtlich anfechtbar. Dies betrifft die Neuausschreibung wie die bisherige Variante. Der Termin des Baubeginns – 2003 soll es so weit sein – dürfte kaum zu halten sein. Richard Rother