■ Polittourismus mit Kuriositäten im Antifa-Camp

Ein von den Anhängern autonomer Lebenswelten geleiteter Polittourismus kann mitunter ziemlich kuriose Erscheinungsformen hervorbringen. So auch beim Antifa-Camp in Zittau. Die Einwohner des Örtchens Eichgraben in der Lausitz werden sich noch lange an einen Tag im August des Jahres 1999 erinnern. Die „virtuellen RaumschreiterInnen“ waren zur „Vorgarten-Performance“ bei ihnen erschienen. Den etwa 40 Leuten aus dem Grenzcamp ging es um den Gesamtzusammenhang: „Wohlstand/Reichtum/Besitz als einen wesentlichen Bestandteil rassistischen Denkens. Grenzziehungen als Einzirkelung des Eigentums.“ „Den BürgerInnen“ nördlich von Zittau wolle man daher „möglichst nah auf die Pelle rücken“. Den Schilderungen zufolge müssen die RaumschreiterInnen Eichgraben für zehn Minuten in ein autonomes Idyll verwandelt haben. Ein anonymer Autor berichtet auf den Web-Seiten: „... tauchten plötzlich Fremde auf und begannen, in den (nicht umzäunten) Vorgärten der Menschen zu picknicken. Rund um die Eigenheime der EichgrabenerInnen spielten Leute Federball, Frisbee und Fußball; auf dem Rasen saßen Leute und hörten Musik.“

Natürlich sind solche Abgrenzungsrituale von „der“ Bevölkerung politisch ziemlich ziellos. Wohin soll die unreflektierte Verbindung von Anti-Konsum oder Anti-Besitz-Aktionen mit der Menschenrechtsforderung nach einem uneingeschränkten Bleibe- und Zuzugsrecht für Flüchtlinge politisch führen? Der autonome Menschenrechts-Aktivismus ignoriert zu gerne, dass es vielen, die in die EU einwandern wollen, genau um die schnöde Teilhabe am kapitalistischen Reichtum geht. Mit der Aufhebung der dies alles hervorbringenden Verhältnisse haben sie in der Regel wenig zu tun. Was also tun?

Deutsche und ausländische Einheimische von der Überlegenheit autonomer Lebensformen in Bauwagen oder WGs überzeugen? Wohl kaum. Auch viele Antifa-Leute lehnen die autonome Politfolklore längst ab. Gezielte Regelverstöße halten jedoch alle weiterhin für eine wichtige Grundlage linker Politik. Oft entsteht erst in der symbolischen Brechung alltäglicher Verhaltens- und Wahrnehmungsweisen der Raum für die gewünschte Kommunikation.

Den Stopp auf freiem Gelände werden die Touristen in der Dampflok betriebenen Kleinradbahn im Zittauer Hinterland jedenfalls nicht so schnell vergessen. Auch, dass sie von den Aktivistinnen nicht stupide belehrt wurden, sondern dank dem gegenseitigen Respekt ein kurzer, aber sachlicher Austausch ergab. Wo auf das moralisierende Distanzierungsgehabe verzichtet wurde, machten die Aktionen Sinn.

Zumindest einem Teil des Camps war es wichtiger, einen Keil zwischen die Bevölkerung und die Nazis zu treiben, anstatt diese durch eine krude Vorstellung von „Antikapitalismus“ weiter anzugleichen. Die linke Hegemonie während der Camp-Tage wurde zu zahlreichen „Enttarnungen“ und Hausbesuchen bei aktiven Nazikadern in der Region genutzt.

Die faschistischen Kader und ihr Wirken der Anonymität zu entreißen ist immer noch eine der effektivsten Waffen. Die meisten Ortschaften wollen nicht als braune Nester ins Gerede kommen.

Für eine angenehmere Entwicklung der Gesellschaft wäre es wesentlich, dass möglichst viele Leute andere daran hindern, Dinge zu tun, die sie einfach schon viel zu oft verbrochen haben und die mit keinem noch so dummen Argument (wie „Arbeitslosigkeit“) entschuldbar sind.

Die bei allen Parteien mehr oder weniger in den 90ern aufblitzenden irrational-nationalistischen Momente im Zusammenhang der Debatten um Einwanderung und Asyl haben dazu beigetragen, dass viele Linke lieber an ihrer abstrakten Staatsferne festhalten. So blockieren die einen nach wie vor BGS-Kasernen („Menschenjäger“). Verhindern die Polizeikräfte ein direktes Aufeinandertreffen mit den Nazis, heißt es dann: „Deutsche Polizisten – schützen die Faschisten.“ Die anderen, zu denen auch der Autor zählt, würden einen Skandal daraus machen, so ihnen die informierten Polizeieinheiten den Schutz vor Faschisten versagten. Andreas Fanizadeh