Unglückliche Hühner aus Tschechien

Deutsche und tschechische Tierschützer wollen gemeinsam den Bau einer Legebatterie verhindern. Steckt der Hühnerbaron Pohlmann dahinter?  ■   Von Constanze Oehlrich

Jede Gruppe der Gegner hat ein anderes Anliegen: der aufkeimende Tourismus, Natur und Gewässer oder den Tierschutz

Berlin (taz) – Am bayerisch-tschechischen Grenzübergang Eschlkam/Vseruby haben gestern mehr als 50 Tier- und Umweltschutzorganisationen gegen den auf tschechischer Seite geplanten Neubau einer Käfigbatterie für 1,8 Millionen Legehennen demonstriert. Etwa 3.000 Leute folgten laut Polizeischätzungen auf bayerischer Seite dem Aufruf der gemeinschaftlichen Kampagne „Nicht hier – nirgendwo!“, eine „sensationelle Beteiligung“, wie Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund meint.

Ein kleiner Teil der Menschen reiste nach der Kundgebung gestern nachmittag nach Tschechien ein, um mit dem Bürgermeister von Vseruby ein Protestschild gegen die Eierfabrik anzubringen.

Die Investitionssumme beträgt 50 Millionen Mark. Laut dem tschechischen Geschäftsführer des geplanten Betriebs stammt der Investor aus Deutschland, will aber nicht genannt werden. Weil sich die 50 Millionen nur wenige Große der Eierbranche leisten können, fiel der Verdacht auf den berüchtigen Hühnerbaron Anton Pohlmann. Er wurde angeblich schon bei der Baustellenbesichtigung gesehen. Ausserdem gibt es über die Kommanditisten der neuen tschechischen Firma Verbindungen zur Pohlmann-Gruppe.

Informationen über die Pohlmann GmbH & Co. KG sind ausgesprochen schwer zu beschaffen. Der Umsatz des Unternehmens kann nur geschätzt werden. Ein Gericht ging von täglich 70.000 Mark Einnahmen aus. Als Pohlmann sein Hühner-Imperium 1996 verkaufte, soll er 300 Millionen Mark dafür bekommen haben. Verstöße gegen das Tierschutzgesetz waren ihm nur selten nachzuweisen. So soll er 1994 60.000 Legehennen gesetzwidrig getötet haben. Aus Mangel an Beweisen wurde das gegen Pohlmann eingeleitete Verfahren jedoch eingestellt.

Erst nachdem sich Fikret Özdemir 1996 bei der Arbeit in einer Pohlmann-Anlage schwere Verletzungen und Vergiftungen zugezogen hatte, kamen die Justizbehörden zum Zuge. Özdemir war damals auf einer der Pohlmann-Farmen zusammengebrochen, nachdem er das illegale Schädlingsbekämpfungsmittel Nikotinsulfat mit einer Druckspritze im Hühnerstall verteilt hatte. Pohlmann hatte seinen Sohn erst eine Stunde später angewiesen, den Arbeiter in ein Krankenhaus bringen. Daraufhin wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von insgesamt 3,1 Millionen Mark verurteilt. Hühner halten darf der „Hühnerbaron“ seitdem nicht mehr. Das Berufsverbot gilt jedoch nur in Deutschland.

Deshalb horchten die Mitglieder des Deutschen Tierschutzbunds auf, als ihnen tschechische Tierschützer von der im Grenzgebiet geplanten Legebatterie erzählten. Die hatten von den Bauplänen aus tschechischen Presseartikeln erfahren, in denen auch der Name Pohlman fiel. Ganze 500 bis 550 Quadratzentimeter Platz pro Huhn sehen die Entwürfe für die Käfiganlage vor. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli wäre ein solcher Bau in Deutschland nicht mehr genehmigungsfähig (siehe Kasten rechts).

Hühner haben ein starkes Bewegungsbedürfnis. Das können sie in herkömmlichen Legebatterien jedoch nicht befriedigen. Auch legen sie ihre Eier gern allein an einem geschützten Ort. Im Käfig hingegen haben Rangniedrigere Tiere in der Hackordnung keine Rückzugsmöglichkeiten und werden von ranghöheren Tieren blutig gepickt. Doch das ist noch nicht alles. Auch die Umgebung einer Legebatterie wird von den Exkrementen der Hühner und den von ihnen ausgehenden Staubemissionen erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Das Interessenspektrum der an der Demonstration beteiligten Vereine war und ist dementsprechend breit gefächert. Die beteiligten Bürgerinitiativen wollen verhindern, dass der in der Region aufkommende Tourismus im Keim erstickt wird. Die Umwelt- und Naturschutzorganisationen sorgen sich vor allem um einen ausreichenden Grundwasserschutz. Die Tierschutzverbände halten die Käfighaltung für Tierquälerei und wollen sie, wie in Deutschland, am liebsten gleich verboten wissen.

Und was soll mit den auf dem Spiel stehenden Arbeitsplätzen geschehen? Das allseits beliebte Totschlagsargument entkräftet Heidrun Betz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzverbundes, mit Leichtigkeit: „Freilandhaltung würde viel mehr Arbeitsplätze schaffen.“ Für sie sind Pohlmanns Baupläne ein offensichtlicher Versuch, aus dem Einflussbereich der deutschen Tierschützer auszubrechen. „Doch das wird ihm nicht gelingen.“