„Wir wollen einfach nicht mehr die alten Strukturdebatten führen“

■ Reinhard Bütikofer, Bundesgeschäftsführer der Grünen, über das Strategietreffen in Berlin und die programmatische Diskussion der Partei

taz: Wie geht's dem Schwamm in der neuen Berliner Parteizentrale der Grünen?

Reinhard Bütikofer: Wir können wohl tatsächlich wie geplant Ende September in die ersten Büros einziehen. Von außen sieht das Gebäude allerdings noch einigermaßen wild aus.

Sehen Sie da Parallelen zum Gesamtzustand der Partei?

Um als Partei Schwamm zu haben, sind wir noch nicht alt genug.

Wo liegt dann das Problem der Grünen?

Zwei Momente sind in der Vergangenheit meines Erachtens prägend gewesen für die Grünen: das Konzept der Nachhaltigkeit und das Prinzip der Selbstbestimmung, der Selbstorganisation. Zwischen diesen beiden Grundorientierungen gibt es natürlich ein Spannungsverhältnis, das durch die Umbrüche der letzten zehn Jahre neu buchstabiert werden muss. Das ist die Aufgabe, an der wir im Moment arbeiten.

Hilft dabei ein Treffen, wie es jetzt in Berlin stattgefunden hat?

Ja. Ein solches Treffen macht deutlich, dass auch Leute, die sich innerparteilich unterschiedlich gruppieren, ein gemeinsames Werteverständnis haben. Außerdem macht sich Orientierungsarbeit nicht von selber, sondern braucht Foren, in denen so etwas angepackt wird.

Foren gibt es bei den Grünen doch genug. Warum dann ein informelles Treffen von Leuten, die kein Mandat haben?

Ein Treffen wie unseres übernimmt nicht die Aufgaben bestimmter Gremien. Es besteht nicht der Anspruch, die Regierungspolitik oder die Tagespolitik der Partei zu diskutieren. Es geht um eine Diskussion im Hinblick auf das Grundsatzprogramm und das Profil der Partei.

Worüber ist in Berlin konkret gesprochen worden?

Wir haben uns schnell verständigt, dass wir nicht die 75. Strukturdebatte und auch keine Personaldiskussion führen wollen. Im Zentrum unseres Gesprächs stand genau das Verhältnis zwischen den beiden Linien grüner Wertorientierungen, von denen ich eingangs gesprochen habe: Nachhaltigkeit und Selbstbestimmung. Wir haben verabredet, dass wir bei einem weiteren Treffen die Diskussion über die Frage fortsetzen wollen: Was ist ein spezifisch grünes Modernisierungskonzept und wie unterscheidet es sich von denen der Konkurrenz?

Ein weiteres Treffen in demselben Kreis?

Vielleicht etwas erweitert.

Soll dadurch auch der traditionelle Strömungsproporz aufgebrochen werden?

Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen darüber, welche Rolle die Strömungen künftig spielen sollen. Ich selber gehöre nicht zu denen, die Strömungen für eine unnatürliche Erscheinung halten.

In der Runde waren nur wenige sogenannte Parteilinke vertreten. Hatten sie nur eine Alibifunktion, um dem Eindruck eines reinen Realo-Treffens entgegenzuwirken?

Ich würde das rundweg bestreiten. Es wurden Leute eingeladen, die an einer solchen Debatte Interesse haben. Die Annahme, dass das Treffen sich gegen jemanden richtet oder jemanden aussperrt, ist ein Missverständnis.

Der Parteivorstand ist in der Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm bisher wenig in Erscheinung getreten. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass durch derartige Strategietreffen der Eindruck eines untätigen Vorstands noch verstärkt wird?

Der Bundesvorstand macht ganz solide die erforderliche Arbeit. Er hat fünf Mitglieder. Niemand kann erwarten, dass sie die ganze Programmarbeit alleine leisten. Deshalb holen wir uns Unterstützung von innerhalb und von außerhalb der Partei. Mitte November findet der erste Kongress zum Grundsatzprogramm statt.

Was halten Sie denn von dem Vorschlag, Teile der Partei auszuschließen?

Humbug. Mir sind wenig Beispiele dafür bekannt, dass Parteien nach Selbstamputationen ihren Aufgaben besser gewachsen waren. Eine Partei kann sich nur auf der Grundlage ihrer eigenen Werte erneuern. Entweder ist der Kern des grünen Projekts tragfähig genug für eine Erneuerung – und der Meinung bin ich –, oder es wird nicht erneuert werden. Interview: Bettina Gaus