Beethoven mit ziemlich störendem Akzent

■ 10. Bremer Musikfest: Klaus Maria Brandauers „Egmont“-Erneuerung überzeugte musikalisch – sonst aber nicht

Das Stück gibt es nicht – das, was der musikalische Leiter Thomas Hengelbrock und der Schauspieler Klaus Maria Brandauer in der Glocke für das Musikfest interpretierten, ist eine Eigenproduktion. „Egmont“ hieß der Abend, Musik von Ludwig van Beethoven, neue Textfassung für den Konzertgebrauch unter Verwendung der verbindenden Texte von Franz Grillparzer, die dieser 1843 nach einer Textfassung von Friedrich Mosengeil hergestellt hat. Im Unterschied zu Schumanns „Manfred“ und Griegs „Peer Gynt“ – beide Werke haben Hengelbrock und Brandauer anlässlich früherer Musikfeste aufgeführt – hat Beethoven aus Goethes Schauspiel eben kein Melodram gemacht, wie jetzt der Eindruck war, sondern 1810 eine Ouvertüre und eine aus neun Nummern bestehende Theatermusik geschrieben – „bloß aus Liebe zum Dichter“, wie er sagte. Diese Musik ist, mit Ausnahme der berühmten Ouvertüre und den beiden Klärchenliedern so gut wie nie zu hören. Um sie herum gestalteten nun Hengelbrock/Brandauer einen Text, der zwar philologisch in Ordnung war, aber nur bedingt überzeugte.

Egmont spielt im späten sechzehnten Jahrhundert, als die Niederlande von den Spaniern besetzt sind und Egmont einen besessenen Freiheitskampf gegen den spanischen Herzog Alba führt. Er wird zum Tode verurteilt, aber die Idee der Freiheit siegt. Abgesehen davon, dass die Kammerphilharmonie hervorragend, in großen Kontrasten spielte und überzeugend darbot, dass die Mühe der Wiederbelebung sich lohnt, kam im Text vieles aus ganz unterschiedlichen Gründen zu wenig über. Ungünstig war, dass Brandauer sowohl der Erzähler als auch Egmont war. Durch eine nuschelige Sprechweise sind diese beiden Partien viel zu wenig voneinander getrennt worden. Dann gab es zwei Sprecher, die eher wirkten, als handele es sich um eine verunglückte Aufnahmeprüfung in einer Schauspielschule. Klärchen wurde interpretiert von Johanna ter Steege, die in Brandauers Rembrandt-Film die weibliche Hauptrolle spielt. Der Niederländerin kann man ihren Akzent kaum vorwerfen, wohl aber den Regisseur Brandauer fragen, was er sich dabei eigentlich gedacht hat, die Rolle mit ihr zu besetzen. Denn zum einen kann die Tragik des Klärchentextes durch den, zweifellos charmanten, Akzent überhaupt nicht gestaltet werden. Zum anderen ist unser TV voll von lustigen Showmaster-Niederländern, von denen man bei einem solchen Auftritt leider nicht abstrahieren kann. Gut hingegen die niederländischen Volksattacken und Aufrufe durch Caroline van Houten.

So trugen die berühmten Lieder „Die Trommel gerührt“ und „Freudvoll und leidvoll“ erheblich mehr zur Charakteristik des Bürgermädchens Klärchen bei, ganz besonders durch den mitreißenden Gesang Anja Harteros'. Das Ganze war ein fleißiger ästhetischer Versuch, in dem der Aufwand in keinem angemessenen Verhältnis zum künstlerisch eher fragwürdigen Ergebnis steht. Ovationen im voll besetzten Glockensaal.

Ute Schalz-Laurenze

Das nächste Konzert des Musikfestes: Die Deutsche Kammerphilharmonie spielt morgen Donizetti, Rossini und Bellini (20 Uhr, Glocke)