Tor fürDeutschland

■ Peter Unfried

Tor! Tor! Tor!

Tor für Deutschland!

Wird bald das letzte geschossen sein? In diesem Jahrhundert. Vielleicht überhaupt?

Sie: Wieso das? In diesem Moment machen sich doch DFB-Fußballer über Neu-Isenburg nach Finnland auf, um dort am Samstag ein EM-Qualifikationsspiel zu bestreiten.

Ich: Mag ja sein, dass da ein Tor fallen wird. Für den DFB. Aber wird man es noch mit dem Begriff Tor für Deutschland benennen müssen?

 Ein erledigter Fall: Das letzte Tor für Deutschland ist geschossen. Ade.

Natürlich haben Reporter schon vor dem Finale von Bern 1954 Tor für Deutschland geschrien (z. B im Halbfinale 1954). Als mythischen Begriff etabliert hat es dort beim 3:2 der Radioreporter Herbert Zimmermann. Danach schrien es Legionen (selbst und natürlich auch Marcel Reif).

Nun ist der Mythos blass geworden. Die drei Worte berühren nicht mehr richtig. Es geschah nicht so schnell wie bei Diana. Eher schleichend. Das hängt zusammen mit Vogts, Ribbeck, d. i. dem zunehmend problematischen Verhältnis zwischen deutschen Toren und Gegentoren – aber sicher auch mit Kohl, Schröder und den Zeitläuften.

Neulich sprach ein Fernsehreporter, eine gewisse Bettina Wiegmann habe ein Tor für Deutschland geschossen. Das klang seltsam. Aber auch nicht seltsamer als im Zusammenhang mit Preetz. Oder Bode.

Ist das letzte Tor für Deutschland längst geschossen? War es JürgenKlinsmanns 1:1 im WM-Achtelfinale 1998 gegen Mexiko? Oder fiel es schon vor zehn Jahren? Mit oder knapp nach der Mauer? Also durch Andreas Brehme, im WM-Finale 1990?

Test, Test: Uwe Seeler. TfD. Gerd Müller. TfD. Klaus Fischer. TfD. Rudi Völler. TfD. Oliver Bierhoff?

Halten Sie sich fest: Gottfried Fuchs hat den besten TfD-Quotienten aller Menschen auf der ganzen Welt – 14 in 6 Spielen. Macht 2,33 TfD pro Spiel. (Er profitiert natürlich ein bisschen von seinen zehn Toren gegen Russland). Fuchs war übrigens Jude und musste 1933 für Deutschland ins Exil gehen. Julius Hirsch erzielte 4 TfD. Er wurde dann in einem KZ von Deutschland umgebracht. Otto Harder wiederum erzielte 14 TfD (in 15 Spielen). Er war auch im KZ. Als Erfüllungsgehilfe für Deutschland.

Wilhelm Hahnemann erzielte 16 TfD (in 23 Spielen), „Bimbo“ Binder 10 TfD (in 9). Beide waren davor und danach Österreicher. Ernst Willimowski machte 25 Tore für Polen (aus 25) – und dann 13 TfD (in 8 Spielen). Nur er, Gerd Müller (68 TfD in 62), und Helmut Schön (17 TfD in 16) kommen bei einer relevanten Länderspielanzahl auf mehr als 1 TfD pro Spiel.

Das einzige gemeinsame TfD wurde gegen die Schweiz gemacht (Netzer/Müller). Das erste offizielle TfD auch. 1908 von Fritz Becker. Herbert Burdenski, Beckenbauer und eigentlich ein jeder machten gegen die Schweiz TfD. Nur das singuläre TfD von Vogts fiel gegen Malta. Damit hat er den schlechtesten Quotienten aller deutschen Feldspieler: 1 in 96 (0,0104 TfD pro Spiel).

Jener Vogts hat dafür das Tor gegen Deutschland des Jahrhunderts geschossen. Für Österreich. In Cordoba (1978). Oder war es JürgenSparwasser? Sein 1:0 in Hamburg verwirrte den Osten. Für oder gegen Deutschland? Historiker streiten über die Antwort auf diese letzte Frage. Offiziell wurde es von Oertel so gerufen wie jedes andere: „Tor für die DDR“. Ein Mythos waren diese Worte nie.

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Das Tor für Deutschland war ein Linksschuss von Rahn. Schäfer hatte die Flanke nach innen geschlagen. Halten Sie mich für verrückt, liebe Fußballfreunde und Fußballlaien, aber nun ist es gewiss: Heute gibt es kein TfD mehr. Das soll nicht heißen, dass früher alles besser war. Nur, dass diese Kolumne obsolet ist.

Ade, geliebtes Tor für Deutschland. Aus, aus, aus. Das Spiel ist: Aus!