Gute Geschäfte der Hertie-Erben

■ Die Hertie-Stiftung soll Steuern hinterzogen haben. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft, und die Gemeinnützigkeit steht in Frage

Köln (taz) – Stiftungen tun anderen Menschen Gutes. Die Manager der 1,8 Milliarden Mark schweren Hertie-Stiftung stehen unter Verdacht, sich vor allem selber Gutes getan zu haben, indem sie beim Verkauf von Firmenanteilen Steuern in dreistelliger Millionenhöhe hinterzogen. Einen ersten Freispruch erteilte ihnen jedoch das hessische Innenministerium. „Die Vorgänge bei der Hertie-Stiftung sind moralisch zu beanstanden, aber nicht stiftungsrechtlich“, sagte der Leiter der juristischen Abteilung, Wolfgang Hannappel, der taz. Für ihn sei die Sache erledigt.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt sieht das anders. Nach einer anonymen Anzeige eines Stiftungs-Insiders (liegt der taz vor) ermittelt sie wegen Verdachts auf Untreue und Steuerhinterziehung.

Im Blickpunkt stehen die beiden Stiftungen der Hertie-Erben: Die gemeinnützige und damit steuerbefreite Hertie-Stiftung in Frankfurt und die gewinnorientierte Familienstiftung in Hamburg. Während die Familienstiftung kaum Eigenkapital hat, verfügte die gemeinnützige bis 1993 über 97,5 Prozent des damals noch selbstständigen Hertie-Konzerns.

Durch den Verkauf der Anteile an die Karstadt AG kassierte sie 1,652 Milliarden Mark – steuerfrei. Allerdings soll sie das Geld nur für „Minuten“ behalten haben, wie der Insider in seinem Bericht an die Staatsanwälte schreibt. In Form eines gewinnbeteiligenden Darlehens floss es weiter an die Familienstiftung der Hertie-Erben – die mit Klaus Rehmann über denselben Chef verfügt wie die gemeinnützige Stiftung. Mit dem Geld kaufte die Familienstiftung knapp 30 Prozent der Karstadt AG. Als Gegenleistung für das Darlehen sollte die gemeinnützige Stiftung wiederum mit 37,5 Prozent am Gewinn beteiligt werden.

Als Grund für die Verlagerung des Kapitals nennt der Insider: „Die Gemeinnützige Stiftung hätte die Körperschaftssteuergutschriften in Höhe von 14 Millionen Mark nicht nutzen können.“ Der Staat verlor durch den Kapitaltransfer also 14 Millionen Mark Steuereinnahmen – und dies über mehrere Jahre.

Diese Steuereinsparungen reichten den Managern aber noch nicht. So strengte sich Rehmann an, die zu versteuernden Gewinne der Familienstiftung aus den jährlich gut 40 Millionen Mark Karstadt-Dividenden in Bilanzverluste zu verwandeln. Zum einen ließ er zu, dass private Aufwendungen der Hertie-Erben der Familienstiftung steuermindernd als Verwaltungskosten in Rechnung gestellt wurden. Allein der hauptsächlich von Hertie-Spross Hans-Georg Karg genutzte Firmenjet kostete jährlich mehr als eine Million Mark. Zum anderen machte Rehmann die Familienstiftung zu einem der größten Immobilieninvestoren in Ostdeutschland, wo der Bund bis vor kurzem großzügige Steuerabschreibungen auf Bauinvestitionen gewährte.

Der gemeinnützigen Hertie-Stiftung wären demnach in den ersten Jahren gar keine Erträge zugeflossen. Dies schien selbst den trickreichen Managern zu wenig. So gewährten sie ihr ab 1995 eine minimale Summe von 8 Millionen Mark. Bei einem Kapital von 1,6 Milliarden Mark entspricht das einer Rendite von 0,5 Prozent.

Für Roman Seer, Professor für Steuer- und Verwaltungsrecht an der Universität Bochum, ist das ein Skandal: „Dass nur 0,5 Prozent des Kapitals gemeinnützigen Zwecken zugeführt wurden, ist sicher nicht haltbar.“ Er sei skeptisch, was die Gemeinnützigkeit angehe, und das gewinnbeteiligende Darlehen sei ebenfalls „problematisch“: Die Geschäfte einer gemeinnützigen Stiftung müssen „selbstlos“ sein. Wenn sie aber ihr gesamtes Kapital an eine andere juristische Person weitergebe,„kann von Selbstlosigkeit nicht mehr die Rede sein“.

Für den Insider ist es „völlig unverständlich“, dass die Finanzbehörden und die Stiftungsaufsicht diese Darlehenskonstruktion erlaubten. Der zuständige Stiftungsbeamte beim Frankfurter Magistrat, Peter Peiker, sei von einem Vorstandsmitglied der Hertie-Stiftung mit dem Argument „eingewickelt“ worden, dass die Darlehenskonstruktion „wesentlich höhere Fördermittel“ verspreche. Peiker habe daraufhin die Vorgänge bei der Hertie-Stiftung abgesegnet.

Auch der Verkauf der Karstadt-Anteile an Schickedanz für 1,8 Milliarden Mark im vergangenen Jahr wurde nicht beanstandet. Nach dem Deal hätte das Darlehen von der Familienstiftung zurück an die gemeinnützige Stiftung fließen können, doch die Vorstände entschieden anders. Das Kapital bleibt zur freien Verfügung bei der Familienstiftung. Die gemeinnützige wird weiter mit der Mindestverzinsung abgespeist.

Das hessische Finanzministerium untersucht nun, ob die Hertie-Stiftung tatsächlich als gemeinnützig eingestuft werden darf. Eine Sprecherin des Finanzministeriums erklärte aber, mit dem Ergebnis werde es wohl noch etwas dauern: „Wir müssen alles aus den Akten rekonstruieren.“ Die Verhandlungen mit der Stiftung seien vom früheren hessischen Finanzminister Karl Starzacher (SPD) und seinem zuständigen Staatssekretär geleitet worden – die bekanntlich nicht mehr im Amt sind.

Steuerrechtler Seer steht nicht allein, wenn er sagt: „In diesem Fall wurde der Mantel des Altruismus ausgenutzt. Für so etwas können keine Steuerbefreiungen gewährt werden.“ Sollte der Hertie-Stiftung die Gemeinnützigkeit entzogen werden, müssten die Manager mit Steuernachzahlungen mindestens für die Geschäfte der letzten fünf Jahre, eventuell sogar der letzten zehn Jahre rechnen. Dies würde „zu einem bösen Erwachen führen“. Allein für den Verkauf des Karstadt-Anteils könne sich die Nachforderung leicht auf eine dreistellige Millionenhöhe belaufen. Martin Murphy